Haus für Kunst: Eine einzigartige «Bergkinder»-Sammlung

«Tausend Blicke», so lautet der spannende Titel der Saisoneröffnungsausstellung im Haus für Kunst in Altdorf. Gezeigt werden Kinderportäts aus dem Bündner Oberland, die 1943/44 vom Fotografen Emil Brunner geknipst wurden. Die Ausstellung wurde am Samstag, 12. April, mit einer interessanten ...
14.04.2003
Einführung von Peter Pfrunder, Direktor Fotostiftung Schweiz, eröffnet. Sie dauert bis am 1. Juni und ist jeweils am Donnerstag und Freitag von 15.00 bis 19.00 Uhr sowie samstags und sonntags von 12.00 bis 17.00 Uhr geöffnet.

Emil Brunners Fotoarchiv wurde nach dessen Tod von Paul Hugger gesichert und konnte 1999, dank Beiträgen des Bundesamtes für Kultur und des Kantons Glarus, von der Fotostiftung Schweiz, Zürich, erworben werden. Da von dieser Serie nur noch wenige Originalabzüge existieren, wurde eine gezielt getroffene Auswahl aus dem Negativarchiv neu vergrössert. Zahlreiche weitere Aufnahmen werden in einer Projektion vorgestellt, ergänzt durch Erinnerungen von Porträtierten, die heute auf ihre Kindheit zurückblicken. Die Ausstellung war zuvor bereits in Chur und Martigny zu sehen, allerdings in nicht ganz der gleichen Form. Für den Kanton Uri wurde die Ausstellung von Kurator Christoph Hirtler auf das Haus für Kunst zugeschnitten, mit Texten und einer Tonbildschau. Nach Altdorf soll die Ausstellung auch noch an anderen Orten gastieren. Ziel der Fotostiftung Schweiz ist es, die Ausstellung einem möglichst breiten Publikum zugänglich zu machen.

Ausschnitt der Schweizer Geschichte

«Auch wenn die Ausstellung nur einen regionalen Ausschnitt aus der Schweizer Geschichte zeigt, hat sie doch sehr viel mit uns allen zu tun», sagte Peter Pfrunder, Direktor Fotostiftung Schweiz, in seiner Einführung. In Zusammenhang mit dem Buch, das herausgegeben worden sei und der Publikation von Bildern in der Zeitung habe es enorm viele Reaktionen gegeben. Die Porträtbilder von Bergkindern regten dazu an, einen Bezug zum eigenen Leben herzustellen. Das, was in der Ausstellung zu sehen ist, stellt nur einen ganz kleinen Ausschnitt aus dem Werk des 1995 im Alter 87 Jahren verstorbenen Pressefotografen Emil Brunner dar. Der grösste Teil seines rund 30 000 Prints umfassenden Archivs besteht aus Bildreportagen, die er auf seinen vielen Auslandreisen realisierte. Mit nur ganz wenigen Bildern machte er allerdings Karriere. Um die Welt gingen seine aus der Luft aufgenommenen Aufnahmen der Sahara. Der dadurch erlangte Höhenflug war aber nur kurz. Danach geriet Emil Brunner wieder in Vergessenheit. «Innerhalb seines Werks stellen die Kinderbilder etwas sehr Spezielles dar, gerade deshalb, weil es sich um keine Reportage handelt», erklärte Peter Pfrunder. Speziell sei auch die Quantität. Rund 1 700 Porträts von Kindern aus zwölf Bündner Dörfern, die alle in den Jahren 1943 und 1944 entstanden, gibt es insgesamt.

Subtil arrangierte Bilder

«Wenn man sich in die Bilder vertieft, stellt man gewisse Besonderheiten fest, welche die Faszination ausmachen», sagte Peter Pfrunder weiter. Die zeitliche Geschlossenheit sei etwas Einzigartiges. Man erhalte so ein Zeitbild, fast ein soziologisches Porträt einer Generation. Auch die geografische Geschlossenheit und das verwendete fotografische Verfahren trügen zur Faszination bei. Die Bilder seien nicht nur subtil arrangiert, sondern bildeten häufig ganze Serien mit gleich bleibendem Bildausschnitt und konstanter Qualität. Ihre serielle Strenge und Einfachheit entspreche modernem Empfinden. In den Unterlagen von Emil Brunner sind praktisch keine Informationen zu diesem Projekt zu finden. Nicht einmal die Namen der Porträtierten hat er notiert. «Man fragt sich zwangsläufig, weshalb er diese enorme Arbeit auf sich genommen und in dieser Strenge durchgezogen hat», so Peter Pfrunder. Das Geheimnis, das so erhalten geblieben sei, sei etwas, das einen auch heute noch anspreche. Man stelle sich Fragen zur Befindlichkeit der porträtierten Kinder, deren Gefühlen und Lebenssituation. Das mache die Fotografien so vital. Zum Schluss wünschte Peter Pfrunder allen Besucherinnen und Besuchern viel Vergnügen beim Anschauen und beim Beantworten der Fragen, welche die Bilder aufwerfen.

Begleitveranstaltungen

Zur aktuellen Ausstellung finden drei Begleitveranstaltungen statt. Am Sonntag, 27. April, 10.30 Uhr, sprechen Maria Furrer-Arnold, Bäuerin und Familienfrau, und Karl Oechslin, pensionierter Forstingenieur, über die «Kindheit in Uri in den Vierzigerjahren». Gesprächsleiterin ist Sabine Dahinden, Moderatorin bei SF DRS. Am Donnerstag, 1. Mai, 20.00 Uhr, wird der Dokumentarfilm «Plan Wahlen in Uri, Vernebelungsaktion der Schweizer Armee» aufgeführt. Den Kommentar zu diesem Stummfilmstreifen spricht Altlandammann Josef Brücker. «Der Fotograf Emil Brunner, Kinderbilder in der Fotografie», so lautet der Titel der Veranstaltung vom Donnerstag, 15. Mai, 20.00 Uhr, mit Peter Pfrunder, Ulrich Gerster, Kunsthistoriker und Journalist, sowie Christoph Hirtler, Kurator der Ausstellung «Tausend Blicke». Am Sonntag, 20. April, und am Sonntag, 18. Mai, jeweils um 10,30 Uhr, finden öffentliche Führungen mit Apéro statt.

Urs Hanhart


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