«Als der tschechische Zollposten in meiner Tasche das Urner Wochenblatt, das damals noch den Untertitel Konservativ-Katholisches Volksblatt hatte, sah, musste ich aussteigen. Während 2 Stunden wurde ich verhört, was ich in der Tschechoslowakei wollte.» Ein Holzeinkauf für eine Zürcher Firma hatte kurz nach Ende des zweiten Weltkrieges Karl A. Gisler aus Erstfeld in die von den Russen besetzte Tschechoslowakei geführt. Wieso er dabei das UW überhaupt mitgenommen hat, weiss der bald 90-Jährige nicht mehr. «Aber auf jeden Fall fragten sich die Beamten, die mich verhörten, wohl das Gleiche», erklärt er mit einem Schmunzeln. Nach diesem erzwungenen Zwischenhalt an der Grenze zur Tschechoslowakei ging es dann aber mit dem UW weiter - nur eine Episode aus Karl A. Gislers Buch «Vo Härdepfel-Gschlirgg und Härrigrinde».
Das muss erzählt seinDer Grund, weshalb sich Karl A. Gisler vor gut zwei Jahren hingesetzt hat, um verschiedene Episoden aus seinem Leben in schriftlicher Form festzuhalten, ist einfach: «Ich habe sehr viel ungewöhnliches erlebt, gerade auch während des Aktivdienstes und in der Nachkriegszeit. Das muss einfach erzählt und festgehalten sein.» In der Tat hat der gebürtige Bürgler ein turbulentes Leben hinter sich. Seine erste Arbeit war die des Geissbubs auf der Alp Galtenebnet. Dann machte er eine landwirtschaftliche Ausbildung und danach die Forstschule. «Ich war auch als Revierförster der Korporationsbürgergemeinde für die Urner Seegemeinden zuständig. Aber heiraten oder gar eine Familie ernähren konnte ich mit dem Verdienst dieser Arbeit nicht. Also musste ich mir etwas Neues suchen.» Immer wieder wird musste Karl A. Gisler seine Stelle wechseln. So war er drei Jahre Wirt im Berggasthaus Strengmatt, Holzeinkäufer im Ausland oder er erstellte Telefon-Freileitungen im Auftrag des Militärs. Bis zu seiner Pensionierung arbeitete er zuletzt während 25 Jahren als Kabelmonteur für die Dätwyler AG.
Viel herumgekommenVor allem kurz nach dem zweiten Weltkrieg, den Karl A. Gisler aktiv im Urner Bataillon 87 absolvierte, sei das Reisen in Europa alles andere als einfach gewesen. «Als ich mit sechs Arbeitern in dem von den Franzosen besetzten Schwarzwald beschäftigt war, mussten die Nahrungsmittel jeweils aus der Schweiz zu uns gebracht werden. In Deutschland konnte man nur mit Lebensmittelmarken Essen kaufen», erzählt der 89-Jährige. Ausländer hätten keine Lebensmittelmarken erhalten. Nach vier Wochen seien dann die Lebensmittellieferungen ohne ersichtlichen Grund plötzlich ausgeblieben. «So haben wir bei einigen Bauern der Umgebung Schweine und Kühe gekauft. Das Schlachten habe ich gleich selber übernommen.» Eine weitere Geschichte von 1946: «Als ich beim zuständigen Minister in Prag eine Ausfuhrgenehmigung für die von mir gekaufte Holzlieferung beantragen wollte, fand ich den betreffenden Herrn nach einigem Suchen völlig betrunken in seinem Büro. Er konnte nicht mal die Papiere unterschreiben.» Der Stellvertreter des Ministers war glücklicherweise zur Stelle und konnte die Aufgabe übernehmen.
Ein veritabler KrimiAber nicht nur Geschichten aus seinem Leben, sondern auch weitere Erzählungen, die Karl A. Gisler entweder aus seiner Jugend kennt, oder die er selber als Zeitgenosse miterlebt hat, ergänzen das Buch. So wird die Geschichte des «Gerligers» erzählt, die sich im 19. Jahrhundert in Flüelen zugetragen habe. Sie ist eine Urner Version der klassischen Tellerwäscherkarriere: Aus dem armen Zimmermann wird nach turbulenten Jahren der Kapitän eines Überseedampfers. Gar einen eigentlichen Krimi hat Karl A. Gisler ans Ende seines Buches gestellt. «200 Tage ohne Gedächtnis» heisst die fiktive Geschichte eines unter Amnesie leidenden jungen Mannes. 100 Exemplare seines Werkes sind bisher hergestellt worden. Mit Hilfe seiner Schwiegertochter hat Karl A. Gisler sein Manuskript von der Schreibmaschine in den Computer übertragen können. Nun hofft er darauf, mit seinen Erlebnissen und Geschichten begeisterte Leserinnen und Leser zu finden.
Das Buch «Vo Härdepfel-Gschlirgg und Härrigrinde» kann bei Karl A. Gisler, Erstfeld (Telefon 041 880 18 37) bezogen werden.
Ralph Aschwanden