Altes Altdorfer Patrizierhaus kommt unter den Hammer

Zwei Jahre stand es praktisch leer, nun soll das Haus aus dem Jahr 1614 am 1. Juni versteigert werden. Das Mindestgebot dürfte um die 950`000 Franken betragen.
16.04.2010
Viele fahren wohl achtlos am Haus am Altdorfer Dorfeingang vorbei. Doch das als «Nuntiatur» bezeichnete Patrizierhaus zählt zu den ältesten Gebäuden von Altdorf. 1614 wurde es vom Landammann Emanuel Bessler von Wattingen als Familiensitz der Bessler erbaut. Nach einer wechselvollen Geschichte folgt nun am 1. Juni das nächste Kapitel: Die öffentliche Versteigerung.

Versicherungswert von 2,7 Millionen Franken

Als Verkäuferin tritt eine Erbengemeinschaft auf. Welchen Betrag sie mit dem Verkauf des Gebäudes erzielen möchte und wieso sie das Gebäude nicht selbst nutzen will, wollte Reto Ernst, der die Erbengemeinschaft vertritt, auf Anfrage des UW zum jetzigen Zeitpunkt nicht kommentieren. Dass das Haus überhaupt versteigert wird, ist auf ein Urteil des Landgerichts Uri zurückzuführen. Die beiden Eigentümer der Liegenschaft hatten sich nicht über den Verkauf des Hauses einigen können. Deshalb hat das Gericht eine Versteigerung angeordnet. Das Mindestgebot für die ehemalige Nuntiatur dürfte wohl beim aktuellen Steuerwert des Gebäudes von rund 950`000 Franken liegen. Der Versicherungswert des Gebäudes ist allerdings mit 2,77 Millionen Franken wesentlich höher. Seit rund zwei Jahren steht das Haus am Spitalplatz praktisch leer. Einzelne Räume im Untergeschoss wurden bis vor Kurzem noch als Büros genutzt. In den oberen zwei Stockwerken befinden sich zwei Wohnungen mit einer Nettowohnfläche von je 220 Quadratmetern. Das Haus verfügt ebenfalls über einen grossen Gewölbekeller sowie einen nicht ausgebauten Estrich.

Unter Denkmalschutz

Die ehemalige Nuntiatur wird allerdings trotz des Verkaufs bestehen bleiben. Der Grund: Sie steht unter Denkmalschutz. Im Inventar der schützenswerten Ortsbilder der Schweiz ist es gar mit dem Erhaltungsziel A gekennzeichnet. Was das für den zukünftigen Besitzer oder die zukünftige Besitzerin des Hauses heisst, erklärt der kantonale Denkmalpfleger Eduard Müller: «Ein Abbruch oder ein Neubau ist aufgrund des Denkmalschutzes ausgeschlossen. Zudem muss die Substanz als solches grundsätzlich erhalten bleiben.» Insbesondere an der Aussenfassade sowie am Gebäudeaufbau dürfe nichts verändert werden. «Ob im Innern gewisse Eingriffe gemacht werden können, wird von Fall zu Fall begutachtet.» In erster Linie sei dafür die baubewilligende Behörde - in diesem Fall die Gemeinde Altdorf - zuständig. Oberstes Ziel der Denkmalpflege bleibe die Substanzerhaltung. «Dazu gehört aber auch eine sinnvolle und zeitgemässe Nutzung des Hauses. Denn sie ist der beste Garant dafür, dass das historische Gebäude erhalten bleibt.» Aufgrund des Denkmalschutzes würden aber allfällige Umbauarbeiten durch die kantonale Denkmalpflege begleitet, so Eduard Müller.

Versteigerung ist öffentlich

Die Versteigerung der ehemaligen Nuntiatur findet am 1. Juni im Hotel zum Schwarzen Löwen in Altdorf statt. Das Mindestgebot beträgt 950`000 Franken. Wer den Zuschlag erhält, muss vor Ort eine Anzahlung in der Höhe von 10 Prozent des Mindestgebotes leisten. Die Versteigerung ist öffentlich. Das Gebäude am Spitalplatz ist an zwei offiziellen Besichtigungsterminen Interessierten zugänglichen: am Freitag, 14. Mai, von 10.00 bis 12.00 Uhr und von 14.00 bis 16.00 Uhr.

Sitz des päpstlichen Gesandten

Das grosse Bürgerhaus am Spitalplatz in Altdorf wurde 1614 von Emanuel Bessler von Wattingen erbaut. Das zunächst als «Stammhaus der Bessler von Wattingen» bekannte Haus hatte ursprünglich vier Gebäudeflügel, die einen Innenhof mit Säulengang umschlossen. Neben der Familie Bessler diente das grosse Patrizierhaus 1712 sowie zwischen 1725 und 1731 dem päpstlichen Gesandten (Nuntius) in der Schweiz als Sitz. Seither ist das Patrizierhaus auch als «Ehemalige Nuntiatur» bekannt. Beim Altdorfer Dorfbrand von 1799 wurde das Gebäude zwar in Mitleidenschaft gezogen, das Mauerwerk blieb jedoch erhalten. Das Innere des Gebäudes wurde in der Folge wieder aufgebaut. Nach verschiedenen Besitzerwechseln und einer Aussenrenovation im Jahr 1922 wurde 1962 schliesslich die eine Hälfte des Gebäudes auf der Nordseite abgerissen, um dem Bürogebäude der Firma Emil Baumann Platz zu machen.

Ralph Aschwanden


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