Beim zweiten Anlauf gibts ein Happy End

Die beiden Theaterfiguren Annette und Andreas geben im Schulzimmer richtig Gas. So macht der Berufswahlunterricht Spass.
09.03.2010
«Mi Name isch Andreas Regli und ich chumä vo Rent-a-Stift.» Nervös steht der Drittlehrjahrstift, gespielt von Mario Schelbert, vor der Klasse. Er soll etwas über seine Lehre als Maurer erzählen. Da betritt plötzlich Annette Lanz (Madlen Arnold) das Schulzimmer, die eine Lehre als Metallbauerin macht. Auch sie soll der Klasse von ihrem Berufsalltag berichten. Aufgrund einer Terminkollision stehen die beiden also gemeinsam vor der Klasse und versuchen, Werbung für ihren Beruf zu machen. Dies gelingt nur bedingt, denn Annette und Andreas waren bis vor zwei Jahren ein Paar.

Die Beziehung zerbrach während des Berufswahlprozesses. Andreas, der eigentlich lieber eine Coiffeurlehre gemacht hätte, begann eine Maurerlehre. Er hatte dem Druck seiner Kollegen nicht widerstehen können, die ihn wegen seines Berufswunsches auslachten. Annette hingegen wagte den Schritt in einen typischen Männerberuf.

Berufswahl und Verliebtsein

Statt der Klasse von ihrer Berufswahl zu berichten, ziehen sich Annette und Andreas gegenseitig auf. Sie streiten, schwelgen aber auch in der Vergangenheit: «Miär hend doch ä guäti Zyt gha mitenand!» Andreas ist immer noch gefangen in seinem Rollenbild und voller Vorurteile, und so kommt es zum Eklat: Annette verlässt wütend und weinend das Schulzimmer.

Alle Urner Oberstufenschülerinnen und -schüler der 8. Klasse kommen derzeit in den Genuss einer speziellen Berufswahllektion. Madlen Arnold, Mario Schelbert und Josef Grossrieder - er spielt im Stück den Berufswahllehrer Perler und moderiert die anschliessende Diskussion in der Klasse - touren während dreier Wochen durch die Urner Oberstufenschulhäuser.

Den Start machten sie am vergangenen Montag, 8. März, bei der Klasse 8c aus Altdorf. Schon in den ersten Sekunden wird das Eis gebrochen. Die Figuren sind witzig, ihre Sprache ist jugendlich, träf und schnörkellos. Auch die Themen Berufswahl und Verliebtsein, die im Stück aufeinanderprallen, sprechen die 14- und 15-Jährigen an.

Schüler spielen mit

Nun sollen die Jugendlichen Vorschläge machen, wie sich Annette und Andreas hätten verhalten sollen, damit es nicht zur Eskalation gekommen wäre. Die gemachten Vorschläge werden direkt ausprobiert, Mutige Schülerinnen und Schüler kommen nach vorne und spielen in kurzem Spontantheater gemeinsam mit Madlen Arnold und Mario Schelbert eine Episode mit. Sehr zur Freude der Mitschülerinnen und Mitschüler.

Schliesslich spielen die beiden Gäste den Schluss des Berufswahltheaters neu. Statt im Streit endet das Stück mit einem Happy End. Andreas und Annette sind wieder ein Paar.

Den Horizont etwas öffnen

Die Achtklässlerinnen und Achtklässler waren vom Theater begeistert. «Die beiden Schauspieler waren super», lautete beispielsweise das Lob von Schüler Fabian Herger. Auch Gianluca Montaquila, der in Kürze eine Schnupperlehre als Mediamatiker machen wird, war vom Gezeigten sehr angetan. «Ich habe mich bis anhin nicht gross mit Frauenberufen auseinandergesetzt. Aber wenn mir ein solcher Beruf gefallen würde, könnte ich mir nun vorstellen, diesen auch auszuprobieren.»

Solche Aussagen belegen, dass die Bildungs- und Kulturdirektion Uri, die das Theater im Rahmen der Kampagne «My Tob Job» in Auftrag gegeben hatte, ihr Ziel erreicht hat. Das Theaterstück soll junge Frauen und Männer ermutigen, beim Berufswahlentscheid auch untypische, nicht geschlechtsspezifische Berufe miteinzubeziehen.

Auch Klassenlehrerin Hanni Germann ist voll des Lobes. Das Theater sei ein sehr guter Input, denn viele seien sich noch überhaupt nicht sicher, wohin der Berufsweg führen soll. Ein Blick auf die Schnupperlehr-Liste, die im Schulzimmer hängt, zeigt, dass sich fast alle für geschlechtertypische Berufe interessieren. Einzig ein Mädchen macht demnächst eine Schnupperlehre als Elektrikerin.

Wagnis hat sich gelohnt

Die beiden Hauptpersonen des Theaterstücks haben selber ziemlich untypische Berufe gewählt: Mario Schelbert ist Musiker, Madlen Arnold Milchtechnologin und Landwirtin. «Probiert aus, was euch gefällt. Es ist nicht für die Ewigkeit. Man kann den Beruf auch wechseln», lautet der Rat von Madlen Arnold an die Schülerinnen und Schüler.

Die beiden Schauspieler sind mit dem Berufswahltheater ein Wagnis eingegangen. «Die Figuren werden zwar überzeichnet, doch sie sollen authentisch wirken. Das ist sehr anspruchsvoll», so Mario Schelbert. Das Wagnis hat sich aber gelohnt. Dieses Fazit können Madlen Arnold und Mario Schelbert bereits ziehen. Es sei hochinteressant, wie die Schülerinnen und Schüler reagieren.

Laut Josef Schuler von der Urner Kulturförderung interessieren sich bereits andere Kantone für die Urner Kampagne und das Berufswahltheater. Wären Mario Schelbert und Madlen Arnold mit von der Partie, wenn die Tournee über die Kantonsgrenzen hinaus eine Fortsetzung fände? Das sei noch völlig offen, geben sich Madlen Arnold und Mario Schelbert zurückhaltend.

Markus Arnold


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