Gibt es in einer Gesellschaft, die eine solche Sättigung, eine solche Zufriedenheit erlebt und von so viel Individualismus geprägt ist, überhaupt noch die Sehnsucht nach grossen Helden? Gibt es in der heutigen, schnelllebigen Zeit noch Gelegenheiten, um Heldentaten zu vollbringen? Wie müsste man sein, wenn man heute verehrt sein möchte? Oder gibt es vielleicht gar keine Verehrungen mehr, da wir eigentlich eine zufriedene Gesellschaft sind?
Mit Fragen rund ums Thema «Helden» beschäftigt sich der 28-jährige Regisseur Benno Muheim seit Monaten. Zusammen mit seinem Ensemble arbeitet er an einem Theaterprojekt, für das er in Zusammenarbeit mit den Mitwirkenden in die Auseinandersetzung mit dem mächtigen Thema «Held und Heldentum heute» getreten ist. Während der Tellspiel-Saison - vom 23. August an - wird das Stück «Im Heldenland» im Atelierraum Höfli in Altdorf 16 Mal aufgeführt. Neben dem Wachhalten des Mythos vom Schweizer Nationalhelden wird den Urnerinnen und Urnern mit dem Stück «Im Heldenland» auch eine zeitgemässe Auseinandersetzung geboten. «Für mich ist ganz klar, dass ich in meiner Heimat ein grosses und starkes Stück zeigen will. Ich will eine Arbeit präsentieren, die eine eigene inhaltliche Sprache spricht. Ein Werk, das berührt, irritiert und fasziniert», sagt Benno Muheim. «Das Stück will ausdrücken, wie junge Menschen in Uri mit dem Thema Held und Heldentum umgehen.»
Schreibend eine Geschichte entwickeln
Benno Muheim ist in Altdorf aufgewachsen. Er ist der Autor des Stücks, für das er mit Dramaturg Jürg Schneckenburger (bekannt aus dem Jugendtheater Altdorf) eng zusammenarbeitet. «Die einzelnen Proben sind für uns Arbeitsfelder, in denen die Geschichte formal, musikalisch, aber auch textlich wächst», erklärt Benno Muheim. Im Tellspiel-Jahr 2008 diesen «grossartigen Auftrag» des Forums Theater(uri) zu erhalten und ein eigenes Stück auf die Bühne bringen zu können, bezeichnet der Regisseur als «absoluten Glücksfall», der ihn auch herausfordert. «Der hohe Druck, den ich spüre, hat auch mit dem eigenen Ehrgeiz zu tun.» Da, wo man aufgewachsen ist, etwas zu machen, sei sicher am schwierigsten, glaubt Benno Muheim, und er ergänzt, vor Energie sprühend: «Es ist eine grosse Aufgabe, die ich bestimmt mit mindestens so grosser Lust erfülle.»
Drei Urnerinnen und ein Urner spielen mit
Im Schauspielensemble sind vier Personen aus dem Kanton Uri: Madlen Arnold, Silvia Arnold, Corinne Gnos und Mario Schelbert. «Die Theatergruppe ist eine klare Persönlichkeitsbesetzung. Ich habe Leute ausgewählt, die ich aus früheren Projekten kenne.» Nahe bei ihrer eigenen Persönlichkeit seien dann auch die Figuren, die sie auf der Bühne zu verkörpern haben. Nach den ersten zwei Monaten Probenarbeit ist der Regisseur und Theaterpädagoge des Lobes voll: «Ich habe eine tolle Theatergruppe. Ich kann auf viel Eigenarbeit der einzelnen zählen, und von Woche zu Woche eröffnen sich uns neue Ideen und neue Möglichkeiten.»
Eine kühle Welt als Theaterbühne
Der Spielort im Atelier Höfli ist eigentlich eine Kompromisslösung. «Eine Notlösung, aus der sich in der Zwischenzeit ein absoluter Glücksfall entwickelt hat», so Benno Muheim. «Ich liebe es, Stücke an einem Ort zu präsentieren, die nicht zwingend fürs Theater gebaut sind. Gerade die Schwierigkeiten, die man dort antrifft, erfordern Inspiration für Lösungen im Umgang mit räumlichen Fragen. Irgendwann beginnt man den Raum zu lieben, und er wird zu einem magischen Ort. Und genau das ist mit dem Atelier Höfli passiert.»
Die Geschichte, die an diesem «magischen Ort» dargestellt wird, basiert auf der Idee, dass der grosse Überheld gestorben ist und somit ein Heldenvakuum hinterlässt. Nun bewerben sich sieben Junghelden um dessen Nachfolge. Doch für die Theatermacher steht fest: Helden können nur in einer mystischen Welt bestehen. «Jeder Held besteht nur auf Distanz, sei es räumlich, zeitlich oder geistig.» Etwas von diesem «Unnahbaren, von dieser Kühle, von diesem Nicht-greifen-Können» versucht der sterile, weisse Raum, ins Atelier Höfli hineingestellt, mitzutragen.
Am 23. August ist Premiere
Voller Tatendrang und mit unbändiger Lust arbeiten Benno Muheim und seine Leute in den nächsten Monaten weiter. Vom 23. August an hoffen sie, Zuschauerinnen und Zuschauer begrüssen zu können, die diesem Stück mit Neugier und Offenheit begegnen. Abschliessend bekräftigt der in Zürich lebende Urner nochmals: «Ich wünsche mir Urnerinnen und Urner als Publikum, unbedingt! Ich komme hierher in meine Heimat, in die Heimat des Urmythos Tell, und will eine heutige Auseinandersetzung mit dem Thema Held, auf keinen Fall elitär - aber jung, frech, unverbraucht.»
Die Aufführungen von «Im Heldenland» sind vom 23. August bis am 14. September. Gespielt wird im Atelier Höfli in Altdorf.
Luzia Schuler-Arnold