n in Gang, das «Urner Wochenblatt» hat sich am Freitag, 2. Juli, vor Ort umgesehen.Ein seltsames Bild. Schon vom Schiff aus erblickt man ein gewaltiges Bauwerk auf der «heiligen» Rütliwiese. Je näher die Rütli-Schiffsstation heranrückt, umso deutlicher wird, dass es sich beim Bauwerk um die gewaltige Tribüne handelt, von welcher aus zwischen dem 23. Juli bis dem 29. August das Tellspiel-Freilichtspektakel genossen werden kann. Über der Rütliwiese kreist ein Helikopter, einen gewaltigen Baumstamm transportierend.
Auf der Wiese angekommen, herrscht ein emsiges Treiben. Aus vielen Baumstämmen wird das Bühnenbild erstellt. Zwei gekreuzte kleinere Stämme bilden «Beine», auf welchen ein grosser, zugespitzter Stamm einen Speer bildet. Unterhalb der Spitze wird je ein grosser Steinblock angehängt. Total 26 dieser Skulpturen werden, auf der ganzen Wiese verteilt, in Position gebracht und bilden als Gruppe das Bühnenbild, das einen Verteidigungsraum, ein Ort des Widerstandes abbildet.
«Ich bin begeistert!»An diesem 2. Juli werden die ersten 13 Skulpturen von insgesamt 26 - für jeden Kanton eine - aufgestellt. Die zweite Hälfte wird ein Tag später errichtet. Nahe am Geschehen ist auch der weltbekannte deutsche Künstler Günther Uecker, der das archaische Bühnenbild entworfen hat. «Ich bin begeistert!», lässt er verlauten. Mit dieser Aussage meint er einerseits das Bühnenbild, das sich vor seinen Augen langsam zusammenfügt, andererseits die Arbeit von Edy Truttmann. Edy Truttmann ist der Pächter des Rütli, und er hat in seiner Seelisberger Zimmerei die von Günther Uecker entworfenen Holzskulpturen hergestellt. Die gewaltigen Stämme - die «Speere» wiegen je 1 Tonne - stammen aus den Wäldern Seelisbergs und vom Niederbauen.
Zu dritt bringen die Arbeiter - unter ihnen natürlich Edy Truttmann, die vom Helikopter angeflogenen Stämme in die richtige Position. Es wirken gewaltige Kräfte. Die Fotografen und Kameraleute, welche den Aufbau mitverfolgen, sind froh um die Zoom-Funktion ihrer Apparate.
Optimale VerbindungWie aber kommt der Urner Edy Truttmann zu diesem ehrenvollen Auftrag, Günther Ueckers Bühnenbild umzusetzen? Hier weiss der Seedorfer Paul Dubacher Bescheid. Er ist Projektleiter für den Auf- und Abbau der Infrastrukturen und an diesem Medientag natürlich ebenfalls vor Ort. «Mit Edy Truttmann hatte ich beim Projekt Weg der Schweiz' sehr gute Erfahrungen gemacht. Edy Truttmann betreibt in Seelisberg eine Zimmerei und besitzt Eigenwald. Und da er als Rütlipächter sowieso stark ins Projekt involviert sein würde, lag es auf der Hand, diese optimalen Verbindungen zu nutzen.» Ausserdem sei es schön, wenn man einen so grossen Auftrag dem einheimischen Gewerbe zuführen könne.
In Weimar laufen die Proben für das Tellspiel auf dem Rütli seit einigen Wochen. Im Auftrag des künstlerischen Leiters Stephan Märki reiste Edy Truttmann im Mai nach Weimar, wo er fünf Skulpturen installierte. Die Schauspielerinnen und Schauspieler sollten sich schliesslich möglichst realitätsnah auf die kommende Aufgabe vorbereiten.
Ganze Region profitiertDie Freilichtaufführungen auf dem Rütli sind ein Millionenprojekt mit internationaler Ausstrahlung. Davon könne kurz- und längerfristig die ganze Region profitieren, ist Paul Dubacher überzeugt. Allein die baulichen Massnahmen kosteten etwa 800 000 Franken. Ein Teil der Gerüste stammt von der Firma Lawil, für die Helikoptertransporte ist die Firma Heli Gotthard zuständig, und alle Arbeiten, die mit Elektrizität zu tun haben, werden vom Elektrizitätswerk Altdorf verrichtet. Weiter profitieren das Gastgewerbe der Umgebung, die Hotels, die Schifffahrt, die Treib-Seelisberg-Bahn, die SBB, touristische Anbieter der Region und so weiter. 2 500 Zuschauerinnen und Zuschauer finden auf der Tribüne Platz, und diese werden auf dem Rütli konsumieren. Viele reisen vielleicht schon zur Mittagszeit an und wollen verpflegt werden - für das Rütlihaus eine besondere Herausforderung. Statt der üblichen Rütlihaus-Belegung von fünf Beschäftigten werden an den Spieltagen rund 13 Personen für das leibliche Wohl sorgen, erklärt Pächter Edy Truttmann.
Enttäuscht von der Urner RegierungAngesichts der grossen Ausstrahlung und des grossen wirtschaftlichen Nutzens für die Region zeigt sich Paul Dubacher enttäuscht von der Urner Regierung. Die Kantonspolizei Uri leistet während der Spiele wichtige Sicherheitsaufgaben, doch diese Leistungen lasse man sich mit 52'000 Franken abgelten. «Natürlich muss die Polizei einen recht grossen Aufwand betreiben», so Paul Dubacher, «aber dass der Kanton finanziell kein Entgegenkommen gewährt, verstehe ich nicht.»
Spätestens morgen Donnerstag, 8. Juli, müssen die Aufbauarbeiten auf dem Rütli abgeschlossen sein, denn da beginnen die Proben des Schauspielensembles des Weimarer Nationaltheaters auf dem Rütli. Doch was geschieht eigentlich mit den Skulpturen nach dem 29. August? Wahrscheinlich würden die kleineren Stämme zu Brennholz verarbeitet, da diese stark verschraubt und verbohrt seien. «Mit den zugespitzten Stämmen kann man vielleicht noch etwas machen», glaubt Edy Truttmann. - Aber wer weiss: Vielleicht werden die Skulpturen als «echte Günther Uecker» teuer verkauft ...
Markus Arnold