Dass ein Sinfonieorchester in einer Autobahnraststätte auftaucht, mag gelegentlich vorkommen. Dass aber ein grosses Orchester in einer Raststätte ein klassisches Konzert gibt, das ist ungewöhnlich. Eine Raststätte ist ja eher ein hektischer Ort, wo man auf der Durchreise schnell einen kurzen Halt macht, und weniger ein Ort der Entspannung und der schönen Musik.
50-köpfiges OrchesterDie Gotthard-Raststätte in Schattdorf wagt nun ein musikalisches Experiment. «Es ist wohl erstmalig, dass in einer Raststätte ein klassisches Konzert veranstaltet wird», glaubt Thomas Zweifel, CEO der Gotthard-Raststätte. Und ganz besonders freut ihn, dass die «Tell Ouverture» von Gioacchino Rossini zum Auftakt des Konzertes ertönt.
Das 50-köpfige Orchester, die Smetana Philharmoniker Prag, wird unter der Leitung seines Dirigenten Hans Richter zudem das Konzert für Violine op. 8. d-moll von Richard Strauss vortragen. Als Solistin tritt dabei die bekannte Urner Violinistin Simone Zgraggen auf. Das Programm endet mit der Sinfonie Nr. 38, KV 504, D-Dur «Prager Sinfonie» von Wolfgang Amadeus Mozart.
Ausgezeichnete AkustikDie Raststätte-Crew ist für die Administration des Konzertes verantwortlich: Die Infrastrukturen, das Personal, die Werbung, die Finanzierung et cetera müssen organisiert werden. Für das Musikalische indes ist Karl Baumann zuständig. Von ihm stammt auch die Idee für diesen Event. Seit 2001 organisiert der Altdorfer immer wieder klassische Konzerte. «Als ich nach dem Umbau der Gotthard-Raststätte diesen grossen Raum sah, wusste ich: Das wäre ein toller Konzertsaal. Man kommt sich hier fast ein wenig vor wie im KKL in Luzern.»
Mit seiner Idee, hier ein klassisches Konzert zu veranstalten, stiess er bei den Verantwortlichen der Gotthard-Raststätte auf offene Ohren. Unverzüglich erarbeitete Karl Baumann, der 2008 die Ausbildung zum diplomierten Eventmanager IWB abgeschlossen hatte, ein Konzept. Als dieses genehmigt war - Abklärungen ergaben, dass sich die Akustik in der Raststätte ausgezeichnet für ein solches Konzert eignet -, machte sich Karl Baumann auf die Suche nach einem Orchester.
300 Plätze fürs PublikumBei den Smetana Philharmonikern Prag wurde er fündig. Den Dirigenten kennt Karl Baumann von früheren Konzerten, die er im Kanton Uri organisiert hatte. Hans Richter sei sofort von der Idee begeistert gewesen. Nachdem auch Simone Zgraggen als Solistin zugesagt hatte, stand fest: Dem ersten klassischen Konzert in der Gotthard-Raststätte steht nichts mehr im Weg. 300 Zuschauerinnen und Zuschauer werden im «Konzertsaal» Platz finden. Karl Baumann ist optimistisch, dass das Konzert ein Erfolg wird. «Mit den bisherigen Vorverkaufszahlen sind wir sehr zufrieden.»
Ein aufwendiges HobbyAusschlaggebend, dass Karl Baumann seinem Hobby, Veranstaltungen wie zum Beispiel klassische Konzerte zu organisieren, frönt, war die Violinistin Simone Zgraggen, die Nichte seiner Ehefrau Gigi. Karl Baumann, Inhaber und Geschäftsführer der Garage Waser AG, war als Jugendlicher eher in der Blasmusikszene zu Hause. Durch seine Frau lernte er auch die klassische Musik lieben.
Vor Jahren, als Simone Zgraggens Stern am Klassikhimmel langsam aufging, bot Karl Baumann ihr an, sie bei der Organisation eines Konzertes ein wenig zu unterstützen. «Es konnte ja nicht sein, dass Simone Zgraggen alles selber organisieren musste», erklärt Karl Baumann. Aus dem «ein wenig unterstützen» wurde schliesslich ein aufwendiges Hobby.
Einmalige Sache?Karl Baumann freut sich auf die spezielle Atmosphäre in der architektonisch einzigartigen Gotthard-Raststätte. Ob das Konzert «Klassik unterwegs» eine einmalige Sache ist, oder ob die Raststätte wieder als Konzertort dienen könnte, wird die Bilanz nach dem Event zeigen. Raststätte-Chef Thomas Zweifel jedenfalls ist grundsätzlich offen. - Für Simone Zgraggen und das Prager Orchester jedenfalls ist das Konzert nicht einmalig. Nach dem Auftritt in Schattdorf steigen sie in den Car und fahren ins deutsche Kempten, wo das Konzert am gleichen Abend ein zweites Mal aufgeführt wird.
Markus Arnold