«Der Geschichtsfreund» - neue Ausgabe

Carmen Furger hat 19 Urner Fälle wegen Kindsmordverdacht im 19. Jahrhundert für die Universität Basel aufgearbeitet. Diese Lizentiatsarbeit erscheint nun zusammen mit anderen Beiträgen im 156. Band der Reihe «Der Geschichtsfreund», herausgegeben vom Historischen Verein der Fünf Orte. Am 19. ...
22.08.2003
August wurde das Buch bei der Gisler Druck AG in Altdorf vorgestellt.

Das Forum 9 bei der Gisler Druck AG in Altdorf war am 19. August Treffpunkt der Geschichtsfreunde. Erstmals war ein Band der Reihe «Der Geschichtsfreund» - er wird seit 1843 vom Historischen Verein der Fünf Orte herausgegeben - im Kanton Uri gedruckt worden. Der jüngste Band beinhaltet vier historische Arbeiten, Vereinsberichte und die Bibliografie der Fünf Orte für das Jahr 2000. Redaktor der Reihe «Der Geschichtsfreund» ist Dr. Urspeter Schelbert.

Zum Inhalt

Publiziert wird die Lizentiatsarbeit von Carmen Furger, Schattdorf, zu den Kindsmordprozessen in Uri im 19. Jahrhundert. Ihre Forschungsarbeit ist auch der Hauptbeitrage des neuen Geschichtsbandes. Sie entstand an der Universität Basel im Fach Allgemeine Geschichte des Mittelalters und der Neuzeit und basiert im Wesentlichen auf Akten aus dem Staatsarchiv Uri in Altdorf. Von Professor Bernhard Stettler, Zürich, stammt der Beitrag «Stadt und Amt Zug in den Irrungen und Wirrungen der eidgenössischen Frühzeit». Dr. René Roca, Birmensdorf, behandelt die Debatte um die direkte Demokratie im Kanton Luzern während der Regeneration. Und Dr. Peter Dalcher, Zug, hat das Innerschweizer Älpler-Epos «Der alt Güüchmarti und die alti Stumpig» von Franz Stump neu herausgegeben und für den «Geschichtsfreund» mit einem Nachwort versehen, und zwar im Andenken an Paul Kamer. Franz Stump, ein «einfacher» Tag-löhner, hatte dem Schwyzer Kollegi-Professor Paul Kamer ein 505 Zeilen langes Mundartgedicht über das Leben der Älpler auf dem Stoos diktiert.

Angst und Verwirrung

«Ich war in einer fürchterlichen Angst und Verwirrung, es machte entsetzlich in mir ...» So lautet der Titel der Arbeit über Kindsmordprozesse in Uri im 19. Jahrhundert von lic. phil. Carmen Furger. Ihre Forschungsarbeit, die 19 Fälle wegen Kinsmordverdachts in Uri im 19. Jahrhundert aufarbeitet, ist in drei Schwerpunkte gegliedert. Der erste Teil zeigt den Ablauf der gerichtlichen Untersuchung von der Entdeckung der Kindsleiche bis zur Verurteilung der angeklagten Person auf. Im zweiten Kapitel stehen die verdächtigten Kindsmörderinnen und Kindsmörder, ihr soziales Umfeld, ihre wirtschaftliche Situation sowie ihre Motive für die Tat im Mittelpunkt. Der letzte Teil befasst sich mit der Verhörsituation. Dabei werden die geschlechtsspezifischen Fragen des Verhörrichters an die verdächtigten Kindsmörderinnen und ihrer Kindsväter und das Sprechen über Sexualität ausgewertet. Auch die verschiedenen Verteidigungsstrategien der angeklagten Kindsmörderinnen wie «Übereilung», Frühgeburt, Totgeburt oder die psychische Verdrängung des neugeborenen Kindes werden erläutert.

Carmen Furger: «Zusammenfassend lässt sich sagen, dass es sich bei den des Kindsmordes verdächtigten Personen zum grössten Teil um ledige junge Frauen handelte. Sie waren durchschnittlich 25 Jahre alt, gehörten der Unterschicht an und verdienten ihren Unterhalt als Dienstmagd. Die Urner Obrigkeit führte weiter Untersuchungen gegen vier Ehepaare, die im Verdacht standen, ihr Kind getötet zu haben. Was die Strafen anbelangt, konnten nur drei Personen - ein Mann und zwei Frauen - des vollendeten beziehungsweise des versuchten Kindsmordes überführt werden. Der Kindsmörder wurde 1844 mit dem Schwert hingerichtet. Die beiden Frauen erhielten mehrjährige Zuchthausstrafen. Bei den übrigen Angeklagten konnte der Verdacht auf Kindsmord nicht erhärtet werden oder ärztliche Befunde brachten Entlastung, indem sie feststellten, dass der Säugling tot geboren worden war. Gestraft wurden diese Personen wegen Verheimlichung der Schwangerschaft und Geburt, wegen Unzucht und fahrlässiger Tötung.»

Erstmals ein Förderpreis

Der Historische Verein der Fünf Orte setzt alljährlich einen Förderpreis für wissenschaftliche historische Arbeiten zur Innerschweiz aus. Dr. Peter Hoppe, der Präsident des Historischen Vereins der Fünf Ort: «Der Preis richtet sich an juge Historikerinnen und Historiker. Die Arbeiten müssen sich mit der Geschichte der Innerschweiz oder eines kantonsübergreifenden Teils davon befassen.» Gefördert wird die Forschungsarbeit mit einem Preis von 1 000 Franken und der Publikation im Jahrbuch «Der Geschichtsfreund». Es können pro Jahr mehrere Beiträge berücksichtigt werden. Der Preis wird 2004 zum ersten Mal vergeben.

Einsendeschluss für die Arbeiten ist der 31. Dezember. Sie sind in fünf Exemplaren per Post zu senden an: Dr. Urspeter Schelbert, Sternenmattstrasse 1, 6318 Walchwil (schebi@zugernet.ch).

Erich Herger


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