Der Mann, der die Wüste zum Leben erweckte

Dass Samih Sawiris in Andermatt über hundert Millionen Franken in ein Tourismusprojekt investieren will, ist mittlerweile bekannt. Doch wer ist der 48-jährige Ägypter, der morgen Sonntag, 18. Dezember, in Andermatt den Einheimischen seine Pläne schmackhaft machen will? Das «Urner ...
16.12.2005
t» begab sich auf Spurensuche.

Tourismus, Telekommunikation, Baugewerbe: Der Sawiris-Clan brachte es zu internationalem Ansehen. - Unser Bild: Vater Onsi Sawiris mit seinen Söhnen Samih, Naguib und Nassef im «Portfolio», dem Magazin der Airline Emirates (Foto: Markus Arnold).


Wenn es in Ägypten etwas im Überfluss gibt, dann Sand. Als kleiner Junge spielte Samih Sawiris stundenlang am Strand, baute kleine Häuser, verband diese mit Kanälen und buddelte kleine Seen. Als Erwachsener begann er zu Beginn der 1990er-Jahre, seine Sandkastenträume nach und nach zu verwirklichen. 20 Kilometer nördlich der Touristenhochburg Hurghada fand er eine Lagune, an der er die ersten 30 Häuser bauen liess und sie an Privatanleger verkaufte. Was danach passierte, beschreibt Samih Sawiris als wahr gewordene Kindheitsphantasie: «Es war wie ein riesiger Sandkasten, in dem wir mit Baggern die Landschaft modellierten.»

«Venedig des Roten Meers»

Mittlerweile ist El Gouna - den Namen verwendeten die Beduinen für «Lagune» - einer der exklusivsten Ferienorte am Roten Meer. Aber anders als beispielsweise Disneyland ist es nicht nur eine reine Urlaubsdestination, sondern eine funktionierende Stadt für gut 10`000 Menschen. Inzwischen gibt es im «Venedig des Roten Meeres» 14 Hotels, Einkaufsstrassen, ein öffentliches Verkehrsnetz, zwei kleine Jachthäfen, mehrere Schulen, ein Krankenhaus, eine Kirche, eine Moschee - und einen 18-Loch-Golfplatz, der Nacht für Nacht mit 3 Millionen Liter Wasser versorgt wird. Bewässerungskosten von jährlich über 1,2 Millionen Franken machen ihn zu einer der teuersten Grünflächen am Roten Meer. Trotzdem wurde El Gouna als umweltfreundlichste Destination Ägyptens ausgezeichnet. Mittlerweile sind 19 Quadratkilometer verbaut, 25 weitere stehen als Reserve zur Verfügung. «Wenn ich meine, der kritische Punkt ist in El Gouna erreicht, stoppen wir», sagt Samih Sawiris, «ich kann ja woanders noch etwas bauen.»
Der Vater fing dreimal von vorne an
Anderswo von Neuem beginnen - diese Einstellung ist typisch für den Clan, an dessen Spitze Vater Onsi Sawiris steht. Der Sohn eines Rechtsanwalts aus Oberägypten studierte Landwirtschaft, wechselte aber schon bald das Gewerbe und gründete 1950 mit einigen Freunden eine Baufirma. Mit Geschick und Mut machte er ein Vermögen. Aber das Glück währte nicht lange.

1952 putschten in Ägypten die Offiziere unter Führung von Gamal Abdel Nasser. König Faruk wurde ins Exil geschickt, und aus der Monarchie wurde eine Republik. Nach dem Suez-Krieg von 1956 näherte sich Ägypten immer mehr den Ostblockstaaten an. Gamal Abdel Nasser erfand den arabischen Sozialismus und leitete eine Gleichschaltung der Gesellschaft ein. Das Bauunternehmen von Onsi Sawiris wurde 1961 nationalisiert und der Vater dreier Söhne enteignet.
Da Onsi Sawiris keine Lust hatte, Angestellter der eigenen Firma zu werden, versuchte er sein Glück in Libyen. Dort gründete er eine neue Baufirma, war wieder sehr erfolgreich - aber die Geschichte wiederholte sich. Nach der Machtübernahme durch Muammar el Gaddafi verlor er erneut alles. 1972 kehrte er nach Ägypten zurück, rief die Firma Orascom mit fünf Angestellten ins Leben und fing zum dritten Mal von vorne an - diesmal mit bleibendem Erfolg.

Erste Geschäftserfahrungen mit 16

Sachte führte Onsi Sawiris seine drei Söhne ins Geschäftsleben ein. Alle drei schickte er auf die Deutsche Schule in Kairo und anschliessend zum Studium ins Ausland. Naguib, der Älteste, wählte die ETH in Zürich, Samih die Technische Universität in Berlin und Nassef, der Jüngste, die Chicago University.
Seine ersten Erfahrungen als Geschäftsmann sammelte Samih Sawiris bereits im Alter von 16 Jahren, als er während den Schulferien Produkte wie beispielsweise Motoren für kleine Boote verkaufte. Seine erste Million machte er 1981 im Alter von 24: Während er in Berlin studierte, baute er gleichzeitig in Ägypten eine Schiffsfabrik auf. Zehn Jahre lang florierte das Geschäft, dann wurden die Importschranken total aufgelöst. Diese Erfahrung hat Samih Sawiris stark geprägt: «Es ist gefährlich, in einem protektionistischen System zu arbeiten. Man hat keinen Grund, gut zu sein, denn man hat keine Konkurrenz.»

Panzer, Rennwagen, Esel

Rasch lernten die Sawiris, sich auch unter liberalisierten Bedingungen zu behaupten. Der Vater zog sich Mitte der Neunzigerjahre, als Orascom längst die grösste Privatfirma in Ägypten war, vom operativen Geschäft zurück. Das Familienimperium wurde in drei Sparten aufgeteilt: Die Telekommunikation für Naguib, der Bau für Nassef und der Tourismus für Samih. Dieser beschrieb einst das Tempo, mit dem er und seine Brüder durchs Leben gehen, folgendermassen: «Nassef ist ein langsamer Panzer, Naguib ist ein Rennwagen, und ich reite auf einem Esel.»

Mehrmals die Woche treffen sich die Söhne mit ihrem mittlerweile 75-jährigen Vater zum Essen. Die Wünsche des Patriarchen sind ihnen nach wie vor Befehl. So verkaufte Naguib, der selbst ernannte Partylöwe, eine Reihe von Bars und Nachtclubs, die er sich zugelegt hatte, weil er das Nachtleben in Kairo als langweilig empfand. Denn der Vater war der Meinung gewesen, dass die dadurch entstandenen Schlagzeilen dem Ruf der Familie schadeten.

Erfolg und Neid

Der Erfolg der Sawiris, deren Vermögen laut Forbes 5,2 Milliarden Dollar beträgt, ruft natürlich auch Neid, Missgunst und Argwohn hervor. Gerüchte kursieren, wonach die US-Administration hinter dem Clan stünde, und die Regierung in Kairo soll den Sawiris Sonderbehandlungen zuteil kommen lassen (was die Betroffenen als Unsinn bezeichnen).

Der Neid auf die Familie wird überdies genährt durch die Tatsache, dass «die neuen Pharaonen von Ägypten» (The Economist) der christlichen Minderheit angehören, den so genannten Kopten, die im stark muslimisch geprägten Land am Nil bloss rund 10 Prozent der Bevölkerung ausmachen. Naguib begründete den Erfolg der Familie einst mit dem Umstand, den Kopten anzugehören: «Wenn man Teil einer Minderheit ist, will man besser werden als die anderen.» Und: «Wenn Du wirklich an Gott glaubst, dann ist er an deiner Seite und du brauchst keine Angst zu haben.»

Arafat als Nothelfer

Naguib, Ägyptens «Antwort auf Richard Branson» (The Time), gilt als der ehrgeizigste, risikofreudigste und extrovertierteste der drei Brüder. Einen Namen machte er sich, indem er in kaum erschlossenen Märkten Handy-Netze aufbaute, in Algerien, in Tunesien, in Pakistan, in Simbabwe, in Bangladesch, im Kongo sowie im Irak, wo der Orascom-Marktanteil bei 100 Prozent liegt. Insgesamt 14 Millionen Handy-Kunden telefonieren mittlerweile weltweit mit Orascom. Das Unternehmen machte im vergangenen Jahr umgerechnet fast 3 Milliarden Franken Umsatz.
Naguibs Rechnung ging allerdings nicht immer auf. 2001 wurde das Geld knapp, nachdem er sich mit dem Aufbau von Netzen im Tschad und in der Elfenbeinküste verspekuliert hatte. Hilfe bekam er von Yasser Arafat. Der Palästinensische Investment Fonds stieg bei Orascom mit 200 Millionen Dollar ein und hielt zwischenzeitlich 9 Prozent der Aktien (heute sind es noch rund 2 Prozent).

Doch das ist Schnee von gestern. Mittlerweile hat Naguib wieder Geld und grosse Ziele. Er will seine Firma zu einem der fünf grössten Telekomunternehmen der Welt machen. Deshalb ist er dieses Jahr auch in Europa aktiv geworden. In Österreich kam er beim Feilschen um Tele.ring knapp zu spät, doch in Italien klappte der angestrebte Deal: Für 12,2 Milliarden Euro übernahm er im Mai dieses Jahres die Nummer 3 auf dem italienischen Markt, den Telekomkonzern Wind. Diese Übernahme verursachte auf dem Apennin ein kleines mediales Erdbeben: «Kleopatra erobert Rom», schrieb eine Zeitung.

Projekte monatlich neu überdenken

Weniger Schlagzeilen liefern die Projekte der beiden anderen Brüder. Nassef, der Chef von über 40`000 Angestellten, dessen Firma in Dubai derzeit am Bau des höchsten Gebäudes der Welt (950 Meter hoch) engagiert ist, gilt als ausgesprochen medienscheu. Und während Naguib mit viel Getöse auf die europäische Bühne trat, wählte Samih den Hintereingang: Mit gut 3 000 Einträgen in der Internet-Suchmaschine Google steht er denn auch deutlich im Schatten seines älteren Bruders, der es auf über 21 000 Einträge bringt.
Die meisten Meldungen zu Samih Sawiris beziehen sich auf das El-Gouna-Projekt oder zeugen von Teilnahmen an Tourismuskongressen. Dabei gab der Vater von fünf Kindern manchmal Aussagen zu Protokoll, die in Andermatt ein Alarmlämpchen zum Blinken bringen sollten. So versteht Samih Sawiris beispielsweise unter dem Begriff «flexibles Management», dass man «Projekte monatlich neu überdenkt». Es sei manchmal nicht einfach, motivierten Projektleitern deutlich zu machen, dass aufgrund einer veränderten Einschätzung Projekte zurückgestellt werden sollen. - Samih Sawiris hat längst aufgehört, auf Sand zu bauen.

Quellen: The Economist, The Time, Forbes, die Welt, Corriere della Sera, La Repubblica, DeutschlandRadio, CNN, Agenturen sowie die Websites www.elgouna.com und www.orascom.com

Omar Gisler


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