Als östlicher Eckpunkt beherrscht der 2021 Meter hohe Schwarzgrat, zusammen mit dem Hoch Geissberg (2395 Meter über Meer) auf der westlichen Seite des Reusstals den Zugang zum Gotthardpass. Die Kalkfelsbarriere zwischen Chur und Unterwallis ist einzig im Urner Reusstal durch Flusserosion und Gletschereinwirkung so tief eingeschnitten, dass der internationale Verkehr ungehinderten Zugang zum Mittelmeerraum hat.
Die ersten 600 Meter zum Schwarzgratgipfel überwinden auch Untrainierte elegant in rund 5 Minuten mit der Luftseilbahn Schattdorf-Haldi. Unser Wanderziel, den Schwarzgrat, erreichen wir vorbei an Gampelen (1490 Meter über Meer) in rund 3 Stunden. Eine phänomenale Tief- und Rundsicht ist die Belohnung für fast 1000 Meter Aufstieg.
Die Wanderung führt anfangs gemütlich auf der Haldistrasse in Richtung Haldikapelle. Vor der Kapelle zeigen einige Gneisfindlinge an, dass das Reusstal noch vor 20 000 Jahren mit Eis gefüllt war und die Eismassen aus dem Urner Oberland Granit- und Gneisblöcke gegen Norden transportierten.
Der Weg leitet uns weiter in die Süessberge - vorbei am Spiel- und Picknickplatz und an der Kneippanlage. Wir haben aber ein höheres Ziel vor Augen. Nach einigen flachen Metern in Richtung Westen geht es steil in Richtung Haseli (1326 Meter über Meer). Ein Blick zurück auf die Schattdorfer Berge lohnt sich. Die folgenden 150 Höhenmeter sind im Moment noch alles andere als ein Genuss, denn vor Jahren wurde ein wenig attraktiver Alperschliessungsweg gebaut. Noch in diesem Sommer soll ein neuer Wanderweg von den Haldifreunden realisiert werden und den Lustgewinn auf dieser Strecke bis Gampelen massiv steigern. Das Gebiet westlich des Haseli ist in Privatbesitz, die östlich anschliessenden und auch die darüberliegenden Flächen sind im Besitz der Korporation Uri. Die Heimkuhweide Gampelen (1490 Meter über Meer) wird im Vorsommer als Rinderweidegebiet genutzt, bis die Rinder, meist Mitte Juni, auf die grossen Rinderalpen des Urner Unterlandes getrieben werden dürfen.
Von Gampelen steigt man gegen den linken Rand des Alpweidegebietes an. Ein Wegweiser zeigt an, dass der Weg weiter steil ansteigt. Auf der Höhe von 1600 Metern über Meer dreht der Weg in südwestliche Richtung. Durch Erlengebüsche steigt der Pfad stetig an, herrliche Alpenblumen säumen den Weg und bald ist der tiefste Punkt (1993 Meter über Meer) zwischen dem Bälmeten und dem Gipfel des Schwarzgrats erreicht. Ein prachtvoller Ausblick in Richtung Urner Oberland lohnt die Schweisstropfen, die man verloren hat.
Noch steht die Traversierung nach Westen an. Durch dichte Legföhrenbestände geht es in abschüssigem Gelände weiter zum Gipfel. Für Kinder empfiehlt sich ein kurzes Seil, doch mit etwas Vorsicht und Musse lässt sich auch diese Passage meistern. Das flache Gipfelplateau lädt zu einer ausgedehnten Mittagsrast ein. Der Blick schweift von der Kleinen Windgällen über den Bristenstock, den Krönten und den Spannort zu den gegenüberliegenden Geissbergen. Steil tauchen die Kalkschichten gegen Norden ab, verschwinden im Raum Attinghausen/Schattdorf und tauchen erst wieder nördlich von Olten als Kettenjura auf.
Der Gitschen, die herrliche Fjordlandschaft des Urnersees und die Reussebene, anschliessend die Schächentaler Berge, die mächtige Burgwand und der Bälmeten schliessen die Rundsicht ab. Einfach grossartig, beeindruckend dieses Panorama von dieser weit ins Reusstal vorgeschobenen Felsbastion. Beim Abstieg nimmt man wieder die Aufstiegsroute, wobei man bei der Lücke zwischen Bälmeten und Schwarzgrat sehr aufpassen muss, dass man direkt nach Norden (in der Aufstiegsroute) und nicht in nordöstlicher Richtung absteigt. Stöcke sind bei diesem steilen Abstieg wirklich eine grosse Hilfe. In rund 2 bis 2½ Stunden ist man wieder zurück bei der Seilbahn. Ein letzter Blick auf den Urner Alpenkranz und zurück auf den Schwarzgrat und dabei den erlebnisreichen Tag an sich vorbeiziehen lassen.
Max Rothenfluh