«Die Kinder sind niemals schuld»

Kinder sind leider oft Opfer sexueller Gewalt. Mit einer Präventionskampagne lernen Kinder, sich besser vor Übergriffen zu schützen.
18.09.2007
Sexuelle Gewalt gegenüber Kindern und Jugendlichen ist ein grosses Medienthema. Immer wieder sorgen in der Schweiz spek-takuläre Fälle für Schlagzeilen. Die Realität sieht aber so aus, dass es sich um ein Tabuthema handelt, über das oft der Mantel des Schweigens gelegt wird. Etwa 75 Prozent der Täter sind Familienangehörige der Opfer respektive gehören zu dessen nahem, sozialem Umfeld.

Ausstellung in der Kollegi-Kapelle

Jedes dritte bis vierte Mädchen und jeder siebte bis achte Knabe zwischen dem 1. und 16. Lebensjahr macht gemäss der Organisation Kinderschutz Schweiz Erfahrungen mit unterschiedlichen Formen von sexueller Ausbeutung. Klar, dass dieses Thema nicht an Kantonsgrenzen halt macht. So wurde am Montag, 17. September, im Kanton Uri eine Kindesschutz-Kampagne gestartet unter dem Patronat der Bildungs- und Kulturdirektion. Im Theater(uri) erläuterte Colette Marti von Kinderschutz Schweiz die Problematik und die Kampagne «Mein Körper gehört mir». Kernpunkt der Kampagne ist eine Wanderausstellung, bei der die Kinder unter Anleitung von Animatorinnen an sechs Stationen ler-nen, ihr Selbstbewusstsein und ihre Abwehrstrategien zu stärken. Bis am 29. September gastiert diese Ausstellung in der Kollegi-Kappelle an der kantonalen Mittelschule Uri, danach bis am 6. Oktober im Casino Erstfeld. Die Kampagne sieht vor, dass sämtliche Schülerinnen und Schüler der Urner 3. und 4. Primarklassen die Ausstellung besuchen.

Neun Fälle im Kanton Uri

Weiter beinhaltet die Kampagne des Kantons Uri, dass Informations-abende, welche sich an Eltern und alle Interessierten richten, durchgeführt werden. Am 17. September fand diese Veranstaltung unter der Leitung von Josef Schuler erstmals statt. Neben Colette Marti referierte auch Egon Schmid, Leiter der Fachstelle Kinderschutz Uri. Im Schuljahr 2006/07 sei die Fachstelle mit neun Fällen sexueller Übergriffe konfrontiert worden. Dass die Zahl der Fälle in den vergangenen Jahren zugenommen hat, glaubt Colette Marti nicht. Hingegen seien das Wissen und die Sensibilität zu dieser Thematik gestiegen. Heute würden mehr Übergriffe gemeldet, und mit den neuen Medien - zum Beispiel Mobiltelefone oder Internet - hätten sich auch die Formen gewandelt.

Lernen, Nein zu sagen

«Sexuelle Gewalt geht uns alle an», betonte Colette Marti. Ein Kind sexuell auszubeuten, heisse, dass ein Erwachsener oder ein älterer Jugendlicher seine Macht zur Befriedigung seiner Bedürfnisse missbraucht. Die Unwissenheit und Abhängigkeit eines Kin-des werden ausgenutzt.
Ziel der Kampagne «Mein Körper gehört mir» ist es deshalb, dass die Kinder lernen, Nein zu sagen, wenn ihnen Berührungen oder Gefühle unangenehm sind. «Nur wenn Kinder ein ganzheitliches Wis-sen über ihren Körper besitzen, wenn sie eine Sprache für ihre Gefühle haben, wenn sie lernen, Gefühle, Berührungen oder auch Geheimnisse richtig einzuordnen, gelingt es ihnen leichter, sexuelle Übergriffe und Gewalt zu erkennen und darüber zu reden», so Colette Marti.

Kampagne soll wirksam sein

Mit der Kinderschutzkampagne soll wirksame Prävention erreicht werden. «Vor dem grossen, bösen Mann zu warnen, genügt heute nicht mehr», hielt Colette Marti fest. Lange Zeit hätten sich die Präventionsmassnahmen auf die Warnung der Kinder vor sogenannten Fremdtätern beschränkt. Dies erzeuge aber eine trügerische Sicherheit, löse bei Kindern diffuse Ängste aus und schränke sie in ihrer Bewegungsfreiheit ein. «Angepasste, unselbstständige und ängstliche Kinder sind jedoch ideale Opfer von sexueller Gewalt.» Eine wirksame Kampagne beinhalte periodische Wie-derholungen, eine kindgerechte Vermittlung, eine interaktive Auseinandersetzung mit dem Thema und den Einbezug verschiedener Lebensbereiche wie Eltern, Schule und Freizeit. Hier setzt die Ausstellung «Mein Körper gehört mir» an. Es werden auch didaktische Materialien zum Thema angeboten, und es wird mit Lehrpersonen zusammengearbeitet, damit die Prävention nachhaltig ist. Die wichtigste Botschaft lautet: «Du bist nicht schuld!»
Am Mittwoch, 19. September, wird im Theater(uri) erneut ein Informationsabend durchgeführt. Am 1. Oktober folgt ein weiterer im Casino Erstfeld. Eltern, Elternvereine und alle Interessierten sind dazu eingeladen. Es ist keine Anmeldung nötig.

Markus Arnold


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