Welcher Person in Uri ist Dr. Tino Arnold unbekannt? Wer aber junge Urnerinnen und Urner nach ihm befragen sollte, bekäme vermutlich ein Achselzucken als Antwort. Der Grund ist klar. Tino Arnold, am 17. Januar 1928 in Altdorf geboren, ist seit seiner Pensionierung mit 62 aus dem Medienalltag entschwunden und geniesst mit seiner Frau Riitta in Weggis hoch über dem Vierwaldstättersee den dritten Lebensabschnitt. Sein Vaterhaus stand ganz oben in der Schmiedgasse.
Die beiden Kinder sind längst erwachsen. Die Vorlieben wie Lesen, italienisches Ambiente, klassische Musik und Rosen sind geblieben. Seine charakterliche Stärke, die Geduld, und seine Schwäche, der «Ürner Stiärägrind», spielen keine so grosse Rolle mehr wie zu der Zeit, als er noch für die rechtmässige Vertretung der Innerschweiz bei Radio und Fernsehen kämpfen musste. Unehrlichkeit bringe ihn aber noch immer auf die Palme.
Vom «Tell»-Walterli zum IRG-Verantwortlichen Der Eindruck musste nachhaltig gewesen sein, als Tino als Zehnjähriger zwei Monate vor Ausbruch des Zweiten Weltkrieges in Budapest den Walterli bei einer Freilichtaufführung spielen durfte. Seine Mutter war Tells Frau. So kam es nicht von ungefähr, dass Tino Arnold später zweimal auch Regie bei den Altdorfer Tellspielen führte. Literatur war seine Leidenschaft. Nach den Schulen in Altdorf und Schwyz und einem Semester Medizin in Zürich schlug er das Phil-I-Studium in Zürich und Freiburg ein und doktorierte mit dem Thema: «Franz Werfel, des Dichters Welt und Weg zwischen Lyrik und Drama».
Tino Arnold besuchte auch Regie- und Theaterkurse. Zeitweise war er als Lehrer am Kollegium Karl Borromäus in Altdorf tätig, bis er dem Ruf ins Radiostudio Basel folgte. Von Basel aus begann dann seine Arbeit als Radiomann der Zentralschweiz, für die er so viel Herzblut investierte.
Während Tino Arnold bei einigen Lebensstationen von Zufall reden könnte, war es bei andern harte Knochenarbeit. Die Lehrerstelle am Kollegium in Altdorf erhielt er, weil bei seiner ersten Italienreise nach dem Studienabschluss der Rektor im gleichen Zug sass. Seine Frau Riitta lernte er in Perugia kennen, weil sie als finnische Studentin von der Käsefarm ihres Vaters berichten konnte, wo er gut mithielt, weil auch sein Vater Käsehändler in Uri war. Den Weg vom Studio Basel bis zum Zentralschweizer Programmbetreuer in Luzern musste Tino Arnold hart erkämpfen. Der Ruf nach Basel kam, nachdem Tino Arnold als Kollegilehrer ein paar kulturhistorische Hörfolgen produziert hatte und selber eine Rolle sprechen konnte. Damals war der Kanton Uri dem Studio Basel zugeteilt. Die Zentralschweiz war beim Radio noch ein Entwicklungsland. Tino Arnold wurde nun Programmredaktor. Er zog mit seiner Familie 1960 nach Basel. «Als sogenannter Lehrling konnte ich während vier Jahren fast alles machen, was es im Radiobereich zu machen gab», meinte Tino Arnold. Mit den neuen Strukturen von Radio DRS im Jahr 1964 bekamen die Ostschweiz, die rätoromanische Schweiz und die Zentralschweiz je einen hauptamtlichen professionellen Programmbetreuer. Der frühere Verkehrshausdirektor Alfred Waldis stellte ein Direktionsbüro zur Verfügung. Aus dieser glücklichen Fügung entstand eine 20-jährige Zusammenarbeit zwischen dem Verkehrshaus in Luzern und dem Zentralschweizer Radio und Fernsehen.
Von der Sonntagssendung zum täglichen RegionaljournalTino Arnold führte seine Arbeit als Programmbetreuer zunächst im Einmannbetrieb aus. Es war anfänglich eine halbstündige und später eine stündige Sendung am Sonntagabend auf UKW, die bei der Bevölkerung sehr gut ankam. In den Sechzigerjahren kam versuchsweise ein Kameramann in die Programmstelle, und mit Beny Kiser gab es sogar den ersten Schweizer Fernseh-Regionalkorrespondenten. Noch heute sind die beiden Produktionsbereiche von Radio und Fernsehen im gleichen Studiogebäude am Inseliquai, wohin die IRG zwischenzeitlich gewechselt hatte, weil es im Verkehrshaus zu eng geworden war. 1974 erarbeitete Tino Arnold an der Spitze einer Arbeitsgruppe das Konzept für tägliche Regionalsendungen. Die Premiere kam dann allerdings erst 1978, weil es viele Infrastruktur-, Finanz- und Betriebsfragen zu lösen gab. Das Produktionsgebiet vom Brünig bis zum Zürichsee und von Reiden bis zum Gotthard brauchte auch zusätzliche Leute. So kamen Margrit Schubiger als Sekretärin und Kurt Zurfluh 1970 als vollamtlicher Reporter und Redaktor hinzu. 1978 bestand das Team aus acht Personen. Aktualitäten lieferten auch zahlreiche Korrespondenten aus der ganzen Zentralschweiz.
Für alle Medien ein PlatzTino Arnold ist kein Schwarzseher. Seiner Meinung nach haben alle Medienerzeugnisse ihren Platz und eine Aufgabe zu erfüllen. «Manchmal muss man sich auf etwas anderes einstellen können, wie wir das mit zunehmendem Alter auch tun mussten», so Tino Arnold. Früher hatte er noch eine Zweitwohnung in Südfrankreich. Nun genügt den beiden Riedsort ob Weggis, von wo sie eine herrliche Aussicht geniessen können. Tino Arnold schwärmt von der unvergleichlichen Lage und von der Offenheit und Herzlichkeit seiner Nachbarn.
Wer nun glaubt, Tino Arnold fühle sich einsam, liegt falsch. Die Einschränkung seiner eigenen Mobilität macht er durch andere Qualitäten wett. Als ehemaliger Stadtmensch kennt er jetzt die Nachbarn persönlich. Seine Frau schätzt die Einkaufsmöglichkeiten im Dorf. Da er seit Kurzem sogar eine Bushaltestelle vor dem Haus hat, ist es für Tino Arnold auch nicht weiter schlimm, dass er nicht mehr Auto fahren kann. Und schliesslich ist der Urner ein echter Urner geblieben, der alles verfolgt, was in seinem Heimatkanton geschieht.
«Ich möchte einmal in Altdorf begraben werden»Tino Arnold gibt zu, dass er die Enge des Reusstales und die hohen Berge nie sonderlich geliebt hat. Deshalb bevorzuge er die sanftere Bergwelt wie am Berghang von Weggis. In Uri selber hätte er die untere Reussebene und in den Ferien das Arni bevorzugt. Grössere Bindungen mit Uri empfindet er im Moment durch seine Urner Jahrgänger, die er jährlich um die Kilbizeit in Altdorf trifft. Der Zufall wollte es, dass die Terrassenwohnung, die er sich für die Pension auserlesen hatte, von Urnern geplant und gebaut worden ist. Hier möchte er nun so lange als möglich mit Riitta bleiben und dann im Familiengrab in Altdorf bestattet werden. Noch denkt er nicht daran. «Es kommen bei mir zwar langsam Reparaturen, aber ich bin immer noch eine rechte Occasion», witzelte Tino Arnold. Sein grösster Wunsch wäre es, noch etwas leben zu können und vor einem qualvollen Sterben verschont zu bleiben. «Ich bin und bleibe ein Urner mit Beharrungsvermögen, Traditionalismus und auch etwas Stolz auf Uri, wie das alle Urner sind.» Als ein «Viertel-Urschner» hofft er auf den Erfolg des Sawiris-Projektes, wobei er selber nie in diesen «rohen Chäib» hätte ziehen wollen. Da ist ihm das etwas sanftere Unterland doch lieber. Der Kontakt mit Menschen war Tino Arnold schon zu seiner Zeit als Radiomann sehr wichtig. Den hat er im Alter nun ebenfalls in Weggis gefunden.
Robi Kuster