China, China, China. Der unglaublich rasante wirtschaftliche Aufschwung Chinas der vergangenen Jahre fasziniert. Doch eigentlich weiss man hierzulande wenig über das mit 1,3 Milliarden Menschen bevölkerungsreichste Land der Welt. Man geht vielleicht mal zum «Chinesen» essen oder spricht über das Thema Menschenrechte in Tibet.
Anders sieht dies bei Simon Gisler aus. Der 31-jährige Urner lebt seit rund drei Jahren mitten im Reich der Mitte. Derzeit arbeitet er als Redaktor auf der deutschen Abteilung von Radio China International in Beijing. «Meine Hauptaufgabe besteht darin, die von meinen chinesischen Kollegen auf Deutsch verfassten Sendemanuskripte zu überarbeiten und aufzupolieren. Zwischendurch verfasse ich auch eigene Berichte für unser Radioprogramm oder unsere Website», erläutert er seine derzeitige Tätigkeit.
Per Zufall nach ChinaNach der Matura 1998 an der Mittelschule Uri studierte Simon Gisler neuere allgemeine Geschichte und englische Literatur an der Uni Basel. Den Abschluss machte er 2005. Anschliessend zog es ihn weg. «Nach dem Studium wollte ich unbedingt ins Ausland, um etwas von dieser Welt zu sehen und mich als Person weiterzuentwickeln.» Durch den Gang ins Ausland habe er sich auch erhofft, die nötige Arbeitserfahrung für eine spätere Tätigkeit im Bereich Diplomatie oder bei Nichtregierungsorganisationen anzueignen.
Dass Simon Gisler in China landete, war dann reiner Zufall. «Bei der Online-Jobsuche stiess ich auf ein Inserat einer kleinen chinesischen Exportfirma aus Tianjin, die einen deutschsprachigen Praktikanten suchte.» Tianjin liegt rund anderthalb Autostunden von Beijing entfernt. Der Schattdorfer nahm das Angebot an und begab sich im Januar 2006 erstmals nach China, ohne irgendwelche Chinesischkenntnisse. Fünf Monate arbeitete er als Foreign Communication Department Manager bei der chinesischen Firma. Land und Leute haben ihm so gut gefallen, dass er sich nach der Rückkehr in die Schweiz im Sommer 2006 entschloss, die Koffer wieder zu packen und ins Reich der Mitte zurückzukehren.
Vom Unilehrer zum RedaktorVon August 2006 bis Juni 2007 war Simon Gisler Lehrer für Western Culture und English Writing an der Universität von Yichun im Süden Chinas in der ländlichen Provinz Jiangxi. Yichun ist mit rund 300 000 Einwohnerinnen und Einwohnern für chinesische Verhältnisse eine kleine Stadt. Im August 2007 zügelte er in die «Gartenstadt» Suzhou nahe Shanghai und wurde Deutschübersetzer bei einer chinesisch-amerikanischen IT-Firma. Seine Aufgabe bestand vor allem darin, Software-Anwendungen, Webseiten et cetera vom Englischen ins Deutsche zu übersetzen. Seit Mai 2008 ist Simon Gisler nun Redaktor bei Radio China International.
Die chinesische SpracheSimon Gisler ist fasziniert von Land und Leuten. Das Spannende am Leben in China seien in erster Linie die im Vergleich zum Westen völlig unterschiedliche Kultur und die damit verbundenen Überraschungsmomente. «Man weiss hier nie so genau, was als nächstes passiert oder was man antrifft. Wenn man sich in China mit offenen Augen durch den Alltag bewegt und den Menschen mit Respekt und Offenheit begegnet, sind spannende Entdeckungen oder heitere Begegnungen praktisch garantiert.»
Mittlerweile spricht der Urner auch ein wenig Chinesisch. «Dank Privatunterricht in der Freizeit beherrsche ich die wichtigsten Ausdrücke der Alltagssprache.» Aus Zeitmangel habe er sich bisher aber vollständig auf das mündliche Studium der chinesischen Sprache konzentriert. «Ich bin nicht in der Lage, chinesische Schriftzeichen zu lesen», betont er. Aber das kann ja noch werden ...
Markus Arnold