Die Andermatt Gotthard Sportbahnen (AGS) AG erzielen weit über 90 Prozent ihres Umsatzes im Winter. «Skifahrer und Snowboarder wollen heutzutage schon im November und Dezember auf die Bretter respektive das Board. Für ein Skigebiet wie den Gemsstock ist es deshalb extrem wichtig, schon zu Saisonbeginn eine durchgehende Piste anbieten zu können», betonte AGS-Direktor Peter Heinzer. Im März und April, wenn die Bedingungen an sich am besten seien, wolle kaum mehr jemand etwas von Wintersport wissen. Um diesen Ansprüchen gerecht zu werden, fasste der AGS-Verwaltungsrat einstimmig den Entschluss, eine für das Gebiet massgeschneiderte Beschneiungsanlage erstellen zu lassen. Das Ganze selbstverständlich in Absprache mit den zuständigen Umweltbehörden.
Baubeginn bereits im Juni
Nachdem im Mai dieses Jahres sämtliche Bewilligungen unter Dach waren, konnte Mitte Juni mit den Bauarbeiten begonnen werden. Ein Grossteil der Arbeiten wurde von AGS-Mitarbeitern in Eigenregie ausgeführt, so unter anderem der Bau der Pumpstationen, der Wasserfassung und der zwei Dutzend Schächte für den Wasser- und Elektrizitätsanschluss. Laut Pistenchef Carlo Danioth wurden insgesamt 17,3 Kilometer Rohre, Kabel und Leitungen in der Erde verlegt und nicht weniger als 140 Tonnen Material im Gelände verschoben. Das zur Beschneiung benötigte Wasser stammt übrigens vom Gurschenbach. Pro Sekunde werden ihm maximal 20 Liter entzogen, was gemäss Carlo Danioth deutlich unter der Mindestzulaufmenge liegt.
Kalte Luft und Wasser reichen
Die Bezeichnung «Kunstschnee» hört Peter Heinzer gar nicht gerne. «Wir produzieren technischen Schnee», stellte er klar. Das kostbare Weiss wird ohne künstliche Zusätze, also ausschliesslich aus Luft und Wasser hergestellt. Am besten ist eine Lufttemperatur von minus 4 bis minus 7 Grad, gepaart mit einer möglichst tiefen Luftfeuchtigkeit. Theoretisch lässt bereits bei 4 Grad über dem Gefrierpunkt Schnee produzieren, allerdings nur dann, wenn die Feuchte 10 Prozent nicht überschreitet. Auch «Schneekanone» ist für Heinzer ein Unwort, denn mit einer Kanone werde etwas zerstört, und das treffe bei der Beschneiung nicht zu. Die Fachleute sprechen deshalb von Schneemaschinen. Die AGS haben inzwischen sieben davon, drei kleinere, drei mittlere und eine ganz Grosse. Sie stammen alle von der Firma Technoalpin, die auf das neue Jahr hin ihren Schweizer Hauptsitz von Unteriberg nach Flüelen verlegen wird. Eine erste Schneemaschine wurde am Gemsstock bereits im letzten Winter angeschafft. Diese stand praktisch im Dauereinsatz und brachte es auf 2`200 Betriebsstunden. Sonst rechnet man mit einer durchschnittlichen Betriebsdauer von 500 bis 600 Stunden pro Schneemaschine.
Guter Zeitpunkt
«Wir haben einen sehr guten Zeitpunkt für die Investition gewählt», zeigte sich Peter Heinzer überzeugt und begründete auch gleich weshalb: «In den letzten drei bis vier Jahren hat sich sehr viel getan auf dem Gebiet der Beschneiungstechnologie. Die Schneemaschinen sind viel effizienter geworden. Zudem konnte der Energieverbrauch erheblich gesenkt werden.» Gleiches gelte für den Personalaufwand. Die allesamt mit einer kleinen Wetterstation zum Messen von Temperatur, Feuchtigkeit, Windrichtung und -geschwindigkeit versehenen Schneemaschinen können per Mausklick von der Kommandozentrale aus reguliert werden. Nur beim Versetzen muss noch Hand angelegt werden. Theoretisch könnten die blauen Pisten auf der Gurschenalp und der Anschluss der Sonnenpiste ab 2`500 Meter in 137 Stunden so mit technischem Schnee beschneit werden, dass diese fahrbereit wären.
Für alle denkbaren Fälle gewappnet
Die Anlage ist ausbaufähig konzipiert, das heisst, es könnten noch weitere Schneemaschinen zugemietet und angeschlossen werden. Dank den ungewöhnlich grossen Schneemengen, die in den letzten Wochen in höheren Lagen niedergingen, musste die Kapazität der Maschinen aber nicht voll ausgeschöpft werden. Bislang wurden rund 14`000 Kubikmeter Schnee produziert, was einem Wasserverbrauch von zirka 6`500 Litern entspricht. Zurzeit befinden sich die Schneemaschinen in der Garage, wenn sie nicht gerade - wie am vergangenen Montag - zu Demonstrationszwecken hervorgeholt werden. In den nächsten Wochen sollen sie vorab für das Beschneien von exponierten Stellen, für den Aufbau der Halfpipe und das Präparieren der Rennpiste eingesetzt werden. «Ohne die neue Beschneiungsanlage hätten wir den Betrieb nicht schon am 9. November aufnehmen können», nahm Carlo Danioth allfälligen Vermutungen, die Neuanschaffung sei für die «Katz» gewesen, den Wind aus den Segeln. Einen solch guten Winterbeginn bezüglich Schneemenge und Schneequalität gebe es auch am Gemsstock nur alle 50 Jahre.
Zinsloses Darlehen des Bundes
Die Kosten für die termingerecht fertig gestellte Beschneiungsanlage belaufen sich auf 1,9 Millionen Franken. 300`000 Franken stammen aus eigenen Eigenmitteln der AGS, der Rest ist fremdfinanziert. Der Bund gewährte ein zinsloses Darlehen in der Höhe von 720`000 Franken. Dies nachdem der Kanton Uri mit seiner Darlehenszusage von 150`000 Franken Investitionshilfegelder auslösen konnte.
Der Gemsstock ist bislang das einzige Urner Skigebiet, welches über eine Beschneiungsanlage verfügt. Gesamtschweizerisch kann zurzeit 8 Prozent der Pistenfläche künstlich beschneit werden. In unseren Nachbarländern wird diesbezüglich mit deutlich schwererem «Geschütz» aufgefahren: Deutschland kann 24 Prozent der Pisten technisch beschneien, Frankreich 28 Prozent und Österreich sogar 38 Prozent.
Urs Hanhart