Die Treib-Seelisberg-Bahn (Baujahr 1914) sowie die Seilbahnen Göschenen-Gütsch (1951), Witerschwanden-Eggenbergli (Spiringen, 1953), Tells-platte-Unteraxen (1960), Bristen-Waldiberg (1979) - sie sind diejenigen Urner Anlagen, die es in das 129 Seilbahnen umfassende Inventar des Bundesamtes für Kultur (BAK) geschafft haben. Seit Freitag, 15. Juli, ist das gesamte Inventar nun auf dem Internet aufgeschaltet. Das Inventar der Schweizer Seilbahnen kategorisiert gemäss BAK erstmals für ein ganzes Land den Seilbahnbestand nach technikgeschichtlichen, kultur- und wirtschaftshistorischen Kriterien und bezeichnet die Anlagen von nationaler und regionaler Bedeutung sowie besondere jüngere Bahnen.
Von regionaler BedeutungIm BAK-Inventar werden die fünf Urner Seilbahnen als Anlagen von «regionaler Bedeutung» ausgezeichnet. Über die Seilbahn Tellsplatte-Unteraxen etwa heisst es im Inventar: «Die zweispurige Pendelbahn besticht aufgrund ihres aus seilbahntechnischer Sicht hohen Betriebsalters sowie der soliden und eindrücklichen mechanischen Komponenten: Sie stellt daher ein repräsentatives Beispiel für das hohe Niveau und die langlebige Qualität Schweizer Seilbahntechnik dar.» Die Seilbahn Witerschwanden-Eggenberg-li wird als «interessantes Zeugnis der schweizerischen Seilbahntechnik» gelobt: «Sie ist repräsentativ für die sehr stabilen und im Bereich Alperschliessung äusserst zweckmässigen, urtümlich anmutenden Schiffli-Bahnen mit zwei Laufwerken und kurzen Aufhängungen. Diese wurden über Jahrzehnte hinweg ohne nennenswerte System- und Formänderungen in der Innerschweizer Berglandschaft eingesetzt.»
Und die Seilbahnanlage Göschenen-Gütsch wird «als integraler Teil des aus militärhistorischer Sicht bedeutenden Artilleriewerks» auf dem Gütsch betrachtet. «Die kleine, zweispurige Pendelbahn ist ein repräsentativer Vertreter der zahlreichen, während den Kriegsjahren erstellten Bahnen, welche die Firma Oehler in Aarau für die Schweizer Armee realisieren konnte», heisst es im Inventartext.
Zwei Bahnen droht StilllegungZwei der fünf Urner Seilbahnen im nationalen Inventar sind aber akut von der Stilllegung oder dem Abbruch bedroht. So soll die Seilbahn auf den Unteraxen ausser Betrieb genommen werden (UW vom 8. Januar). Eine Strasse von Sisikon auf den Unteraxen soll den Betrieb der Seilbahn ersetzen. Und die Bahn von Göschenen auf den Gütsch soll einer neuen Pendelbahn weichen, die das ausgebaute Andermatter Skigebiet direkt von Göschenen aus erschliessen soll. So zumindest sieht es die vom Regierungsrat genehmigte Richtplananpassung vor. Dennoch sind die beiden nun Teil des nationalen Seilbahninventars. Ihre kulturgeschichtliche Bedeutung muss gemäss BAK «bei baulichen Eingriffen und den gesetzlichen Bewilligungs- und Konzessionsverfahren berücksichtigt werden».
Falls der Kanton und der Eigentümer aber entscheiden, eine Bahn stillzulegen und abzubrechen, dürfte dies trotzdem geschehen. «Das Inventar ist nicht rechtsverbindlich und entfaltet keine direkte Schutzwirkung», erklärt Oliver Martin, stellvertretender Leiter der Sektion Heimatschutz und Denkmalpflege beim BAK. «Das Inventar weist aber auf die kulturhistorische Bedeutung einer Seilbahnanlage hin.» Das wiederum helfe bei der Interessenabwägung, wenn es um eine Veränderung an einer Seilbahn - beispielsweise den Neubau oder den Abbruch - gehe.
Neubau statt ErhaltFür Justizdirektorin Heidi Z'graggen ist der Abbruch der bestehenden militärischen Seilbahn Göschenen-Gütsch trotz Inventareintrag möglich. «Bei der Vorprüfung des Bundes zur Richtplananpassung Skiinfrastrukturanlagen haben das BAK und das VBS keine Einwände gegen einen allfälligen Abbruch dieser Bahn eingebracht», hält sie auf Anfrage fest. «Im kantonalen Schutzverzeichnis ist die Bahn nicht enthalten. Ein Abbruch der Bahn ist demnach möglich.» Zudem sei die neue Gondelbahn Göschenen-Gütsch «eine wichtige Erschliessung ins künftige Skigebiet», betont Heidi Z'graggen. «Diese Bahn kann nur erstellt werden, wenn die bestehende Bahn, die ohnehin nicht mehr benötigt wird, abgebrochen wird.» Deshalb habe der Regierungsrat einem Neubau der Bahn höhere Priorität zugemessen als dem Erhalt. «Mit dem Richtplan Skiinfrastruktur hat der Regierungsrat damit dem Abbruch der Bahn zugestimmt.» Dementsprechend werde die Bahn auch nicht ins kantonale Schutzinventar aufgenommen.
Ralph Aschwanden