Ist der Tunnel heute sicherer?

Seit der Brandkatastrophe im Gotthard-Strassentunnel im Oktober 2001 hat sich viel verändert. Technisch wurde die 17 Kilometer lange Röhre aufgerüstet, und der Verkehr wurde dosiert. Der deutliche Rückgang der Unfallzahlen in den vergangenen fünf Jahren dürfte gemäss Walter Steiner aber vor ...
24.10.2006
allem auf ein verändertes Verhalten der Automobilisten zurückzuführen sein.

Am 24. Oktober 2001 kam es zur grössten Katastrophe in der Geschichte des Gotthard-Strassentunnels. Um 9.39 Uhr geriet ein alkoholisierter Lastwagenfahrer mit seinem Fahrzeug auf die Gegenfahrbahn und kollidierte mit einem entgegenkommenden LKW. Feuer brach aus. Elf Menschen konnten sich nicht mehr in die Schutzräume retten. Sie verloren beim Unglück ihr Leben.

80 Millionen Franken investiert

Zwei Monate später wurde der Tunnel für den Personenwagenverkehr und einen Tag später auch für den Schwerverkehr wieder freigegeben. Allerdings mit verschiedenen Massnahmen, die das Unfallrisiko im Tunnel vermindern sollten. Heute werden die Lastwagen mit dem sogenannten Tropfenzählsystem dosiert durch den Tunnel geschleust.
Zur Risikominderung wurden auch bauliche Massnahmen getroffen - nicht nur als Reaktion auf das Brandereignis, sondern auch im Rahmen der laufenden Projekte. Rund 80 Millionen Franken seien in den vergangenen fünf Jahren investiert worden, erklärt Walter Steiner, Betriebsleiter des Werkhofs in Göschenen. So wurde der Verkehrsrechner ersetzt. Dieser steuert einerseits die Dosierung des Verkehrsflusses, andererseits wird dadurch die Signalisation im Tunnel - Rotlicht auf der Gegenfahrbahn - verbessert. Durch die stärkere Ausleuchtung der beiden Fahrstreifen mit zwei Lichtbändern wurde ausserdem der Eindruck der dunklen Röhre eliminiert. Und neu werden die Bilder der Tunnelkameras für 90 Minuten gespeichert. Damit werden die Rekonstruktion und die Analyse von Ereignissen erleichtert.

Verbesserung der Selbstrettung

Das Projekt der Lüftungsklappen war beim Tunnelbrand vor fünf Jahren bereits bewilligt, jedoch noch nicht umgesetzt. Diese Arbeiten sind mittlerweile abgeschlossen. Die steuerbaren Klappen sorgen im Brandfall für ein konzentriertes Absaugen des Rauches. Im Lüftungssektor Airolo wurden zudem zwei neue Abluftmaschinen installiert. Zur Verbesserung der Selbstrettung wurden die Schutzraumeingänge weiss bemalt und die Schutzräume sowie Fluchtwege besser beschildert. Mit den neu erstellten Infoparcours in den Raststätten Airolo und Erstfeld werden die Verkehrsteilnehmenden auf das richtige Verhalten im Gotthardtunnel aufmerksam gemacht. Infolge verschiedener Mängel wurde ausserdem die Homepage www.gotthard-strassentunnel.ch neu konzipiert.
Demnächst wird auch die Brandmeldeanlage ersetzt. Dank einer verbesserten Sensorik sollen die Reaktionszeiten der Lüftung und der übrigen Systeme reduziert werden. In Ausschreibung kommen zudem optische Leiteinrichtungen auf den Banketten sowie grüne Markierungsleuchten an den Eingängen zu den Schutzräumen.

Schwachstelle Mensch

Ein Blick in die Statistik zeigt, dass die Unfälle im Gotthard-Strassentunnel seit dem Tunnelbrand deutlich zurückgegangen sind. Von 1995 bis 2000 wurden zwischen 44 und 68 Unfälle jährlich registriert. Im Jahr 2001 waren es 36 Unfälle, seither bewegt sich die Unfallzahl zwischen 7 und 14 pro Jahr. - Nicht nur die Unfallzahlen sind rückläufig, sondern aufgrund des Dosiersystems auch das Verkehrsaufkommen. Im Rekordjahr 2000 durchquerten 6,84 Millionen Fahrzeuge den Tunnel. Seit dem Brand sind es noch knapp 6 Millionen jährlich.
Ist der Tunnel seit dem Unfall also sicherer geworden? «Bei einer solchen Aussage ist Vorsicht geboten», mahnt Walter Steiner. 30 Todesopfer in 25 Betriebsjahren widerspiegeln genau das Risikoprofil des Tunnels, das bei der Eröffnung der Röhre im September 1980 erstellt worden ist. Im ganzen System sei nicht die Technik die Schwachstelle, sondern der Mensch, der Individualverkehr. «Praktisch die ganze Gesellschaft mit den verschiedensten Charakteren, Intelligenzen und Jahrgängen durchfährt den Tunnel.» Walter Steiner glaubt, dass die deutlich tieferen Unfallzahlen vor allem damit zusammenhängen, dass die Automobilisten seit der Brandkatastrophe viel konzentrirter fahren und die Abstände einhalten.

Wendende und Überholende

Trotzdem kommt es nach wie vor zu unschönen Szenen im Tunnel. So werden pro Jahr rund 40 Personen registriert, die ihr Fahrzeug im Tunnel wenden. Diese Zahl sei konstant hoch. Hingegen die Anzahl der Überholenden sei seit der Installation des Rotlichts auf der Gegenfahrbahn deutlich zurückgegangen.
Nach dem Brandereignis von 2001 wurden auch die beiden Schadenwehren frisch ausgerüstet. Mit der Beschaffung des neuen Sonderlöschfahrzeuges können sich die Rettungskräfte dem Brandereignis annähern, dabei gleichzeitig kühlen und den Brand bekämpfen. Doch auch die beste Ausrüstung nützt in den entscheidenden ersten zehn Minuten eines Ereignisses nicht viel. Bei einem Brandfall sind die Betroffenen nach wie vor zuerst auf sich selber angewiesen.

Markus Arnold


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