Kanalsanierung der etwas anderen Art

In Erstfeld wird die Kanalisation saniert. Zum Einsatz kommen modernste Technologien. Von dieser Kanalsanierung der etwas anderen Art konnte sich die Bevölkerung selbst überzeugen.
01.04.2011
Wird eine Kanalisation saniert, bleibt das Publikum meist fern. Nicht so am vergangenen Mittwoch, 30. März, in Erstfeld. Abwasser Uri hatte die Bevölkerung eingeladen, sich über die Sanierungsarbeiten informieren zu lassen. Der Grund: Mit Kanalrobotern und Inlinersystem kamen nicht alltägliche und hochmoderne Technologien zum Einsatz. Das «Urner Wochenblatt» war ebenfalls vor Ort dabei, beim 11,6 Meter langen Teilstück zwischen dem nördlichen Teil des Coop-Parkplatzes in die gegenüberliegende Wohnsiedlung.

Ein Held in Weiss

«Lieber er als ich», dürfte sich wohl so manch eine Zuschauerin beziehungsweise Zuschauer denken, als ein Mitarbeiter der Firma Arpe AG in die Kanalisation hinuntersteigt. Der faulige Geruch dringt aus dem geöffneten Schacht bis nach oben. Ein kurzer Blick zurück, die Kapuze hochgezogen und schon ist er verschwunden, der Wagemutige im weissen Overall. Man hört Wasser fliessen. Ob wohl ausgerechnet jetzt jemand die Toilettenspülung benutzt hat? «Nein», beschwichtigt Eduard Schiesser, Leiter der Zweigniederlassung der Arpe AG in Kriens: «Das Rohr wird nochmals gezielt durchgespült, bevor es mit einem Ballon zeitweise gesperrt wird.» In der Zwischenzeit wird die Leiter, welche in den Schacht hinunterführt, demontiert. Aus Platzgründen, heisst es. «Wir hätten sonst keine Chance, den Inliner in den Schacht zu kriegen.» Dass unser Held in Weiss nun gewissermassen ausweglos in der Kanalisation festsitzt, scheint ausser dem Publikum niemanden zu beunruhigen. «Das ist unsere tägliche Arbeit», erklärt Stefan Lüdi, als er die mitleidigen Blicke bemerkt. Der Chefoperateur hat gut reden, steht er doch auch oben an der frischen Luft im Trockenen. Doch sein Einsatz würde noch kommen, zusammen mit dem Inliner und dessen Platzierung.

«Rohr im Rohr» als bequeme Alternative

Gespannt warten die rund 30 Personen auf das weitere Vorgehen, als schliesslich das Fahrzeug mit dem sogenannten Inliner ankommt. Das eigentliche Kernstück der Kanalsanierung sieht aus wie ein langer Schlauch, ähnlich einer nicht aufgeblasenen Luftmatratze. Und dabei liegt diese Einschätzung gar nicht mal so falsch, wie Eduard Schiesser erklärt: «Der Inliner wird im Innern des Kanalisationsrohres bündig zum bestehenden Rohr aufgeblasen und mittels UV-Strahlung erhärtet.» So fungiert der Inliner dann quasi als «Rohr im Rohr» und stellt eine moderne Alternative zur Kanalsanierung dar.
Das muss sich auch Freddy Pfaffen von der Käppeli Strassen- und Tiefbau AG, Altdorf, eingestehen. Als Bauführer und technischer Leiter der Arge Kanalisation Erstfeld wäre ihm eine Kanalsanierung mit Offenlegung der Rohre näher gelegen. «In überbauten Gebieten ist die Inlinertechnik aber zu bevorzugen, weil es eine elegantere Lösung ist und auch weniger Umtriebe für die Liegenschaftsbesitzer mit sich bringt», gibt sich Freddy Pfaffen überzeugt. Und so zeigen sich denn auch an der nächsten Haltung mitten im Garten eines Hauses nur geringe Anzeichen einer Baustelle. Lediglich der Schacht wurde freigeschaufelt.

Tausendfüssler im Untergrund

Auf der Wiese im Garten liegt bereits die Lichterkette auf dem Boden. In einer Art Schlauch befinden sich die Kabel, dazwischen zahlreiche Glühbirnen. Und was aussieht wie ein überdimensionaler Tausendfüssler, entpuppt sich als raffiniertes Konstrukt: In regelmässigem Abstand zu den Glühbirnen spreizen sich je drei Beine mit einer Rolle am Ende ab. «Dadurch kann die Lichterkette problemlos durch den aufgeblasenen Inliner gleiten», erklärt Stefan Lüdi. Und so hievt er die Kette in den Schacht, wo bereits ein weiterer Held in Weiss wartet. Sorgfältig wird nun die Lichterkette in den aufgeblasenen Inliner geschoben und an den beiden Enden des Schlauches je eine Kappe aufgesetzt. Stefan Lüdi erklärt: «Erst dadurch können wir mit dem Kompressor genug Druck aufbauen, damit sich der Inliner ganz dicht an das bestehende Rohr schmiegt.» Jetzt darf auch der Mann in Weiss wieder aus dem Schacht krabbeln. Ruckartig verzieht sich die Zuschauertraube, die sich vorher um den Schacht versammelt hatte; keiner will dem inzwischen nicht mehr weissen Overall zunahekommen - auch der Träger selbst nicht: Geschmeidig gleitet er aus seinem stinkenden Überzug und legt ihn ab.

Fast wie beim Zahnarzt

Der «dreckige» Teil der Arbeit ist nun vorbei. Im Innern seines LKWs hat Stefan Lüdi einen hochtechnologisch eingerichteten Arbeitsplatz, von wo aus er den weiteren Vorgang der Inlinertechnik mitverfolgen kann. «Die Kamera an der Front der Lichterkette zeigt mir nun an, ob der Inliner gut liegt», erklärt der Chefoperateur. Mittels zahlreicher Knöpfe und noch mehr Angaben am Bildschirm bewegt Stefan Lüdi die Lichterkette nach vorne, einmal durch den gesamten Inlinerschlauch, der inzwischen mit Hochdruck aufgeblasen ist. Der Inliner liegt gut, der Experte entdeckt keine Mängel.
Nun heisst es: «Licht an!» für den Tausendfüssler. «Die Glasfaserschicht mit Polyesterharz wird durch die UV-Bestrahlung ausgehärtet», erklärt Eduard Schiesser. «Ähnlich wie bei einer Plombe beim Zahnarzt?», murmelt ein faszinierter Zuschauer. Und er hat recht, wie Eduard Schiesser sogleich bestätigt: «Ein besserer Vergleich hätte mir nicht einfallen können!» Nach 5 Minuten sind die Lampen endlich auf Betriebstemperatur, und Stefan Lüdi manövriert die Lichterkette Stück für Stück durch den Schlauch. 15 Minuten und etliche Kontrollblicke auf den Bildschirm später schliesslich die positive Nachricht des Chefoperateurs: Der Inliner ist ausgehärtet, das «Rohr im Rohr» gelungen.

Roboter erledigen den Rest

Noch ist nicht die ganze Arbeit getan. «Jetzt geht es mit nicht menschlicher Hilfe weiter», verkündigt Michel Held, Entwässerungstechnologe der Arpe AG. Seine technologischen Helfer liegen bereits auf dem Tisch: zwei sogenannte Kanalroboter. Dabei ist es nicht deren erster Einsatz in Erstfeld. Bereits im Vorfeld der Sanierungen wurden die Roboter in die Kanäle eingeführt, um alles genau ausmessen
zu können. «Nur so können wir vorkonfektionierte Inliner für jeden Teilabschnitt präzise bestellen», erklärt Eduard Schiesser. Nun sorgen die Kanalroboter noch für den letzten Schliff. Sorgfältig wird der Fräsroboter in den Schacht gelassen, und Michel Held steuert den kleinen Flitzer von seinem Bus aus. «Durch die vorgängigen Messungen weiss ich genau, wo Hausanschlüsse wieder frei gebohrt werden müssen», erklärt Michel Held. Von seinem Bildschirm aus beobachtet er das Tun seines Roboters, und er schickt schliesslich auch noch den zweiten, etwas grösseren Roboterkollegen in den Schacht. «Der Spachtelroboter versiegelt nun die frei gebohrten Hausanschlüsse, damit alles dicht ist und kein Abwasser ins Grundwasser gelangt.» Die Roboter wieder an die Oberfläche gebracht, können jetzt die Kanalisation wieder freigegeben und die Klospülungen im Umfeld wieder betätigt werden.
Für Iwan Meyer, technischer Mitarbeiter bei Abwasser Uri, ist das Inlinersystem eine ideale Lösung: «Gerade in Wohngebieten ist dies die schonendste Methode der Kanalsanierung.» Bereits die Hälfte der diversen Haltungen respektive 1,1 Kilometer Kanalisation in Erstfeld wurden mit dieser Technik saniert. Bis Ende Sommer sollen die Sanierungsmassnahmen abgeschlossen sein.

Carmen Epp


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