Mit 60 noch lange nicht pensionsreif

1951 verlangte das Publikum nach modernen, komfortablen Schiffen. Seither dreht die «Titlis» ihre Runden auf dem Vierwaldstättersee. Im Winterhalbjahr ist sie täglich auf dem Urnersee anzutreffen.
09.12.2011
Der Blick auf Schiffsbiografien auf dem Vierwaldstättersee löst immer dann Bewunderung und Staunen aus, wenn wieder ein Geburtstag gefeiert wird. Am 11. Dezember sind es 60 Jahre seit der Inbetriebnahme des Motorschiffs (MS) Titlis der SGV. Vergleicht man die «Titlis» rein äusserlich zum Beispiel mit den Dampfschiffen (DS) Stadt Luzern oder Uri oder den Motorschiffen Schwyz, Gotthard oder Waldstätter, so stellt sie keine Besonderheit dar. Ihre Bedeutung wird anders bewertet beim Blick auf den Leistungsausweis als Kurs- und Extrafahrtenschiff. 1951 stand die Schifffahrt des Vierwaldstättersees zwei Problemen gegenüber. Zum einen besass sie eine mehrheitlich veraltete Flotte, zu der über ein Dutzend Dampfschiffe mit klingenden Namen und stolzen Lebensläufen zählte. So anerkennenswert ihre Leistungen waren, zum damaligen Zeitpunkt rief das Publikum nach modernen, neuzeitlichen und komfortablen Fahrzeugen - auch bei der Schifffahrt. Das Dampfschiff wurde noch nicht als technikgeschichtliches Denkmal anerkannt.

Eigenbau als Erfolgsmodell

Das zweite Problem bildete die eigentlich erfreuliche Tatsache, dass sich die Fahrgastzahlen nach 1945 nach oben entwickelten. Das rief nicht nur nach zeitgemässem, sondern zusätzlichem Schiffsraum. Die Dampfschifffahrtsgesellschaft des Vierwaldstättersees (DGV), so hiess die heutige SGV damals, hatte bereits in den Dreissigerjahren entschieden, ihre neuen Schiffe selber zu planen, zu bauen und in Betrieb zu nehmen. Unter diesem Gesichtspunkt entstand 1948 aus dem Umbau des Raddampfers Rhein ein erstes zweideckiges Motorschiff, die «Waldstätter» (Namensvorgängerin des heutigen modernen Salonschiffes). Nur noch der vordere Teil der Schale liess erkennen, dass es sich zuvor um ein Dampfschiff handelte!
Der erste vollständig neue Eigenbau als Zweideck-Salonschiff entstand 1951 in Gestalt von MS Titlis. Die vielseitige Einsetzbarkeit dieses damals 400-plätzigen Schiffes mit einem grossen Erstklasssalon auch auf dem Oberdeck belegt die Richtigkeit der gewählten Bauform. Das Schiff bewährte sich von Anfang an im Kurs- und Sonderfahrtendienst. Entsprechend oft stand es während des ganzen Jahres im Einsatz. In der kalten Jahreszeit half es mit, die wegen schwacher Auslastung besonders defizitären Dampfschiffkurse zu ersetzen. In der warmen Jahreszeit wäre es auf Hauptkursen zu klein gewesen. Es gab aber auf anderen Fahrten genügend Arbeit!

MS Titlis erwies sich im Betrieb als wirtschaftlich und vielseitig, und so verwundert es nicht, dass es baulich stets veränderten Anforderungen angepasst worden ist. Erstmals erwies sich das beim Bau der Achereggbrücken bei Stansstad als notwendig. Verschiedene Schiffe mussten umgebaut werden, damit sie die bei mittlerem Wasserstand gegebenen rund 7,5 Meter Abstand zu den Brücken einhalten konnten. Die Umbauten an der Flotte zogen sich von 1960 bis 1962 dahin, und die SGV (so heisst das Unternehmen seit 1960) nutzte die Gelegenheit, dem Schiff äusserlich etwas modernere Formen zu verleihen. Im Jahre 2000 diente die etwas in die Jahre gekommene, aber immer voll seetüchtige «Titlis» nurmehr als Reserveschiff. Die SGV musste zwischen Ausserdienststellung oder Modernisierung entscheiden und wählte das Letztere. So entstand aus dem durchgreifenden Umbau ein kleineres, immer noch flexibles Zweideckschiff, welches sich seither in Randkursen ganzjährig bewährt. Auch dieser Umbau wurde durch die SGV selber geplant und durchgeführt.

Pendlerschiff zwischen Treib und Brunnen

Das Schiff ist derart gefragt und beliebt, dass es seiner Geschichte treu bleibt: Es fährt auch heute ganzjährig und legt jeweils hohe Kilometerzahlen zurück. Im Winter verkehrt es ab Brunnen und damit auch auf dem Urnersee. Ab dem Fahrplanwechsel am 11. Dezember - ein zwar zufälliges, dennoch besonderes Jubiläumsda­tum! - wird es im Winterhalbjahr sogar öfter als bisher zwischen Flüelen und Luzern eingesetzt. Es eignet sich in dieser Funktion sowohl als Ausflugs- wie auch als Pendlerschiff an Werktagen zwischen Treib und Brunnen. Die Biografie des heute 300-plätzigen Schiffes zeigt, dass man mit 60 Jahren noch längst nicht zum Alteisen gehört!

Mario Gavazzi


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