Zwei Spiegelreflexkameras D700 der Marke Nikon, eine D300S, zwei Blitzgeräte, fünf Objektive und ein Stativ. Wenn all das kaputtgehen sollte, ist für Martin Bissig das Abenteuer im Himalaya vorbei. Ebenso schlimm wäre es, wenn das Bike von Claude Balsiger in der Einöde zu Schrott gehen würde. Für ihr Projekt brauchen die beiden Freunde 100 Prozent Einsatz, alles muss funktionieren. «Im Notfall müssen wir eben improvisieren», erklärt Martin Bissig. Vorbereitet sind sie, im Juli geht es los. Dann wollen die beiden Geschichte schreiben. Mit dem Bike auf einen 6000 Meter hohen Berg im indischen Ladakh - ein Weltrekord. Die unglaubliche Fahrt will der Zuger Claude Balsiger bewältigen. Dazu muss er mindestens 97 Prozent des Aufstiegs im Sattel seines Standard-Mountainbikes bewältigen. Kontrolliert wird er durch ein GPS-Gerät mit Trittfrequenzmesser. Martin Bissig begleitet die Expedition fotografisch. «Für mich ist das eine ebenso harte körperliche Leistung wie für Claude», findet der 34-Jährige. Anstrengend deshalb, weil allein sein Rucksack mit den Kameras, den vielen Ersatzbatterien und dem Laptop bis zu 13 Kilogramm schwer ist und er oft vorauslaufen muss, um gute Fotos schiessen zu können. «Und das, obwohl ich kein Extremsportler bin und so was noch nie gemacht habe.»
Berg bisher nur angeschautSo neu ist die Idee der beiden Abenteurer nicht. Kürzlich haben drei Deutsche den gleichen Weltrekordversuch gewagt. Und einer der drei hat es tatsächlich geschafft: Er hat einen 6085 Meter hohen Berg mit dem Bike bezwungen. «Von diesem Vorhaben wussten wir nichts. Wir sind seit einem Jahr am Planen», versichert Martin Bissig. Dennoch wollen sie den Versuch wagen. Der namenlose Berg, den sie erklimmen wollen, ist höher. Oder zumindest sollte er das sein. Genaue Karten gibt es in diesem Gebiet nämlich nicht. Der Berg wird auf zirka 6100 Meter geschätzt. Das würde reichen. Sofern die beiden die Expedition auch schaffen. «Claude war noch nie auf dem Berg, er hat ihn bisher nur angeschaut», erklärt Martin Bissig. Die Strecke könnte auch unüberwindbar sein, die Expedition damit verloren. Nur mithilfe von Landkarten und «Google Earth» haben sich die beiden ein Bild des kargen Berges mitten in der Hochgebirgswüste machen können. Er besteht nur aus Stein und Staub, es hat keinen Schnee, kaum Gras. Schneien könnte es trotzdem. Schlechtes Wetter kann jederzeit das Abenteuer der beiden frühzeitig beenden. Zumindest mit der Höhe scheint Claude Balsiger kein Problem zu haben. Er macht seit Jahren Expeditionen auf Berge im Himalaya. Zum Akklimatisieren reist er ein paar Wochen vor der Expedition in die Region und geht biken - allein. Auch während dem Weltrekordversuch sind die beiden oft auf sich alleine gestellt. Von Einheimischen werden sie nur bis zum Basecamp begleitet, auf Sauerstoffflaschen verzichten sie komplett. «Der Trip ist absolut CO2-neutral. Wir kompensieren unseren gesamten CO2-Verbrauch, inklusive Flug», versichert Martin Bissig. Das geht mit finanziellen Abgaben, die für den CO2-Ausstoss berechnet werden.
Eine Woche Zeit für den VersuchOb Martin Bissig die Höhe verträgt, muss sich erst noch zeigen. Er hat bisher kaum Erfahrung in diesen Höhen. Er reist erst Ende Juli ins Basecamp auf 5500 Meter über Meer. Dann hat das Team eine Woche Zeit, um den Berg zu besteigen. «Das wird meine persönliche Bestleistung», betont Martin Bissig. Doch nicht nur die extreme Leistung zählt für ihn. Speziell seien insbesondere die Begegnungen mit den sehr freundlichen Einheimischen. Als die beiden vor einem Jahr für ein Fotoshooting in Ladakh herumgereist waren, trafen sie immer wieder auf neugierige Anwohner oder verwunderte alte Leute, die noch nie im Leben ein Fahrrad gesehen haben. «Einmal hat ein Mönch den Velohelm von Claude aufgesetzt und ist einfach weggelaufen», erzählt Martin Bissig. Schon jetzt freut er sich auf die einmaligen Erlebnisse in der Wildnis. Dann, wenn die beiden alleine auf einer menschenleeren Hochebene am Zelten sind, mit einem kleinen Kocher etwas zu Essen zubereiten und am Horizont mit einem Grollen schwarze Gewitterwolken aufziehen. «Es sind diese starken Momente, die diesen Trip zu etwas ganz Besonderem machen.»
Martin BissigMartin Bissig hat Betriebsökonomie studiert und ist seit 2001 freischaffender Fotograf und Inhaber der Medienagentur mart-design.net und Geschäftsführer von Bici AktivFerien. Aufgewachsen ist der 34-Jährige in Unterägeri. Der Zuger mit Wurzeln in Unterschächen kennt sich zwar nicht sehr gut in Uri aus, geht aber ab und zu aufs Haldi oder auf die Eggberge biken. Ein Teil seiner Familie lebt noch in Uri.
Mehr Informationen zum Weltrekordversuch gibt es unter www.mountainbike6000.com. Interessierte können die Expedition ständig mitverfolgen, Blogeinträge werden laufend aktualisiert.
Martina Regli