Neues Zuhause mit 360-Grad-Bergpanorama

Während Jahren lebten die Gehrigs in Isenthal. Neu sind sie Gastgeber in den Bergen. Vom Leben und Arbeiten in der Sewenhütte.
15.07.2008
«Wir wagen etwas Neues!», mit diesen Worten kündigte Familie Gehrig ihren Umzug von Isenthal ins Meiental an. Von Juni bis Oktober sind sie nun Hüttenwartsfamilie der Sewenhütte. Dies bedeutet für alle, dass ein neues Leben beginnt. Die ganze Familie hilft mit, wenn es jetzt zum Beispiel heisst, frisches Brot oder Kuchen zu backen. Wie sehr die Gäste das schätzen, haben sie bereits im ersten Monat erkannt. Die Vorräte werden per Helikopterflug aufgefüllt, Milch und Joghurt kann zum Glück bei den umliegenden Alpen bezogen werden. «Was wir dringend brauchen, das muss halt heraufgetragen werden», erklärt Ursi Gehrig.

Aufwachen mit Blick auf Berge

Es ist noch früh am Morgen, die ersten Sonnenstrahlen gelangen durch das Dachfenster und tanzen übers Bett. Draussen «tschirpt» ab und zu ein Vogel. Ansonsten ist es still. Aus der Küche strömt ein angenehmer Geruch von Urner Bergkräutertee und frischem Aprikosenkuchen, der sich mit dem Holzgeruch der Wände und Decke vermischt. Die Zimmer sind nach den umliegenden Bergen benannt, von «Zwächten» über «Schafschijen» bis zum «Fläcki-stock». Die einmalige Lage im Meiental bietet ein 360-Grad-Bergpanorama. Es scheint, als ob Architekt Jakob Eschenmoser dies in den vieleckigen Bau hat einfliessen lassen, als er das Haus Ende der Sechzigerjahre für den Schweizer Alpenclub entwarf. Die Hütte stand ursprünglich am Gletscherbach, fiel aber im Jahr 1971 einer Lawine zum Opfer und wurde am neuen Standort nach den gleichen Plänen wieder aufgebaut.

Zeit für die Gäste

Im Aufenthaltsraum herrscht bereits zur Znünizeit eine gemütliche Stimmung. Die Sonne lässt den Raum erstrahlen, und die Fenster ziehen den Blick auf die umliegenden Gipfel. Die Gäste geniessen die atemberaubende Aussicht oder greifen nach einem der zahlreichen Bücher. Fauna und Flora in der Umgebung sind unvergleichlich. «Birk- und Schneehühner, Steinböcke und Murmeltiere und natürlich eine grosse Auswahl an Blumen», schwärmt Ursi Gehrig, während sie die Gäste bedient. Die Töchter Lea, Katrin und Anina helfen kräftig mit, um den Betrieb am Laufen zu halten. Walti Gehrig hat vor dem Haus einen «Niddler» gebaut, in dem Milch und Joghurt gekühlt werden. Seine ruhige Art wird von den Gästen geschätzt, und interessiert setzt er sich auf einen Kaffee zu ihnen. Die Besucherinnen und Besucher lassen sich gerne auch kulinarisch verwöhnen und bestellen Käseschnitten, ein feines Birchermüesli oder Alpkäse mit Brot. Natürlich beansprucht die Arbeit als Hüttenwart viel Zeit. Walti Gehrig ist aber überzeugt, dass man eigentlich immer genug Zeit hat. Ursi Gehrig ergänzt derweilen: «Wir versuchen, immer Zeit für unsere Gäste zu haben. Seis zum Plaudern oder um Auskunft zu geben.»

Vom Wetter abhängig

Wieder setzen sich Leute vor die Hütte. Familie Gehrig begrüsst sie herzlich. «Es ist schön, wenn etwas läuft, aber wir geniessen es auch, wenn für einmal etwas Ruhe einkehrt», schmunzelt der Hüttenwart. Bis ungefähr Mitte Oktober wird er bleiben, der Rest der Familie bis Ende Schulferien. Der Hüttenwart stellt klar: «Auch wir sind vom Wetter abhängig, aber weniger als andere Hütten. Wann das Wetter die Saison beendet, wird sich zeigen.» Für seine Frau ist das schlechte Wetter ebenfalls kein Problem: «Ich gehe bei jeder Witterung laufen. Jeden Tag, um Milch zu holen oder Kraft zu tanken und um nicht an einem Fleck festzusitzen.»
Tochter Anina will die Tyrolienne ausprobieren und montiert Helm und «Gstältli». Gut gesichert können Kinder gleich neben der Hütte das Seil runtersausen. Für Familien gibt es hier viel Platz und Möglichkeiten zum Klettern und Wandern. Der Gneis rund um das Sewengebiet hat das Gelände ideal geformt und lädt ein, die verschiedenen Wände zu erklimmen.

Lang gehegter Traum

Walti Gehrig hat schon länger davon geträumt, eine Hütte zu übernehmen. Für ihn bedeutet dies «frei und unabhängig leben zu können, selber zu entscheiden». Natürlich ist nicht alles perfekt, aber die Familie ist sich einig: Das neue Zuhause ist toll.
Im Jahr 2006 wurde die Hütte mit Hilfe eines Lehrlingslagers renoviert. Unter anderem wurde die Wasserversorgung gesichert und die sanitären Anlagen den heutigen Bedürfnissen angepasst. Nun kann man sagen, dass die Sewenhütte vergleichsweise modern ausgestattet ist. Energie und Warmwasser sind auf verschiedenen Wegen gesichert, auf dem Dach lassen sich Sonnenreflektoren erkennen, und vor dem Haus dreht sich eine Turbine. Zudem können Gasflaschen eingesetzt und der Holzofen angefeuert werden. Walti Gehrig ist zufrieden und erwähnt: «Wir können bis zu 60 Leute unterbringen.» Diesen Sommer war die SAC-Hütte bereits einmal ausgebucht. Die Schlafplätze sind im 2. und 3. Obergeschoss untergebracht, die Lager direkt unter dem Dach werden vor allem von Kindern geliebt. Die Familie Gehrig hat sich ebenfalls ihre Schlafplätze eingerichtet und fällt abends meist müde ins Bett. Wieder geht ein Tag auf 2150 Meter über Meer dem Ende zu. Es ist spät geworden, bis alle Arbeiten abgeschlossen und der Hüttenbetrieb für den nächsten Tag vorbereitet ist. «Es wird meistens spät, aber: Wir haben ja Zeit!»

Rahel Aschwanden


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