Am Wochenende fand in Aarau das «Eidgenössische» der Superlative statt. Rund 50 000 gut gelaunte Zuschauerinnen und Zuschauer schwitzten bei heissem Sommerwetter in der grössten Arena der Schweiz. Weitere 35 000 Besucherinnen und Besucher weilten auf dem Festgelände, wo sie Gelegenheit hatten, das Geschehen in der Arena auf riesigen Videowänden mitzuverfolgen.
Insgesamt waren von Freitag bis Sonntag 200 000 Besuchende auf dem Festareal im Aarauer Schachen. Rekordverdächtiges leisteten auch die SBB. 130 000 Personen nutzten am Samstag und Sonntag den öffentlichen Verkehr. Auf dem Schwingplatz wechselte sich spektakuläre Schwingerarbeit mit farbenprächtiger Folklore ab. Imposant war auch die Lebendpreisparade mit acht Tieren, angeführt von Siegermuni Dobi.
Abderhalden holt zum 3. Mal den KönigstitelDer haushohe Favorit Jörg Abderhalden wurde den Erwartungen gerecht. Einzig am Samstagmorgen schien er verwundbar zu sein. Im Revanchekampf gegen Unspunnensieger Martin Grab musste er die Punkte teilen. In der zweiten Begegnung gegen Publikumsliebling Hanspeter Pellet musste Jörg Abderhalden einige Male seine ganze Klasse aufbieten, um eine Niederlage abzuwenden. Doch kurz vor Ablauf der Zeit kam er doch noch zu seinem Sieg. In der Folge deklassierte Jörg Abderhalden alle seine Gegner und qualifizierte sich für den Schlussgang.
Die beiden anderen Nordostschweizer «Überschwinger», Nöldi Forrer und Stefan Fausch, hatten nach sieben Durchgängen ebenfalls je sechs Siege und einen Gestellten auf dem Notenblatt. Am meisten Maximalno-ten hatte Stefan Fausch. Er konnte mit 1 Viertelpunkt Vorsprung in den Schlussgang starten.
In einem der besten Finaldurchgänge der vergangenen Zeit versuchten beide Athleten das Ergebnis herbeizuführen. Nach 7 Minuten konnte König Jörg Abderhalden mit einer Souplesse seinen Kontrahenten besiegen. Die brütende Hitze verlangte den Schwingern alles ab. Sowohl Stefan Fausch als auch Jörg Abderhalden lagen noch einige Zeit erschöpft am Boden, ehe sie den vielen Journalisten Interviews geben konnten.
Den Innerschweizern fehlte die KonstanzDie Innerschweizer hatten wie schon in Luzern die stärkste Mannschaft. Dies zeigt auch die Kranzstatistik. Die Innerschweizer holten 17 Kränze, die Nordostschweizer acht und die Berner sieben. Der grosse Unterschied zwischen der absoluten Spitze ist jedoch offensichtlich. Während Martin Grab, Philipp Laimbacher und Co. immer wieder Punkte an sogenannte Mittelschwinger abgeben, werden diese von den Nordostschweizern kaltblütig besiegt. Als Stolperstein entpuppte sich der Nordostschweizer Daniel Bösch. Er knöpfte Adi und Philipp Laimbacher Punkte ab und Martin Grab warf er sogar mit seinem Sieg im vierten Gang aus dem Titelrennen.
Beständigster Urner holt den KranzDer überragende Urner Schwinger in Aarau war der 28-jährige Landschaftsgärtner Richi Imholz aus Unterschächen. Mit vier gewonnenen Kränzen war er der in dieser Saison bislang der beste Urner. Er erwischte einen Traumstart. Es gelang ihm, Roland Ochsner und den «Eidgenossen» Bertrand Egger zu besiegen. Gegen den nächsten «Eidgenossen», Thomas Zindel, war er hingegen chancenlos. Die beiden nächsten Siegkreuzlein verbuchte er gegen Markus Bilger und Jean-Philippe Kläy. Mit dieser Superleistung tauchte er am Abend in der Zwischenwertung auf dem sensationellen 4. Rang auf. - Am Sonntagnachmittag gab es eine bittere Niederlage gegen Willi Graber. Dabei zog sich Richi Imholz eine schmerzhafte Schulterverletzung zu. In diesem Gang hatte er eine Riesenchance verpasst: Es fehlte praktisch nichts mehr, und er hätte als Sieger vom Platz gehen können. Mit diesem Sieg hätte er an die Ranglistenspitze vorstossen können. Doch Willi Graber konterte und konnte Richi Imholz am Boden überdrehen.
Die erste Chance, den Kranz zu sichern, verpasste Richi Imholz gegen einen weiteren «Eidgenossen», Stefan Zbinden. In den letzten und entscheidenden Gang ging der Schächentaler taktisch geschickt und schonte vorerst seine angeschlagene Schulter. Eine kleine Unaufmerksamkeit seines Gegners Florian Gnägi nutzte er eiskalt aus und siegte mit der Maximalnote.
«Wochendende meines Lebens»«Dies war das Wochenende meines Lebens», sagte ein gezeichneter Richi Imholz nach dem Kampf. «Ich kann es noch gar nicht fassen, was hier in Aarau passiert ist. Nach dem fünften Gang war mir klar, dass der Kranz in Griffnähe war. Mit jeder Niederlage wurde der Druck auf mich immer grösser. Trotz starker Schmerzen in der Schulter konnte ich nochmals richtig beissen und im entscheidenden Moment zuschlagen.» Nach dem Rücktritt von Stefan Bissig haben die Urner somit wieder einen «Eidgenossen» in ihren Reihen.
Stefan Gisler knapp am Kranz vorbeiNach dem Mittagessen waren die Chancen für den Bürgler Routinier Stefan Gisler auf einen Kranzgewinn noch intakt. Aber nach dem verlorenen sechsten und siebten Gang, gegen Christian Dick und Adrian Schenkel, verpasste er wie in Luzern sehr knapp seinen erhofften Kranz. Der Sieg am Schluss gegen Erwin Büsser nützte dem enttäuschten Stefan Gisler nichts mehr. Am Samstagabend war Andi Imhof mit drei gewonnenen Gängen ebenfalls noch auf Kranzkurs. Aber am Sonntagmorgen musste er sich in beiden Gängen das Sägemehl von seinem Gegner vom Rücken wischen lassen. Er bekommt in drei Jahren in Frauenfeld seine nächste Chance.
Für Patrik Herger aus Unterschächen und Ruedi Philipp aus Schattdorf kam das Aus schon am Samstagabend, während der Seedorfer Elias Kempf erst am Sonntagmittag aus dem Wettkampf ausschied. Für Elias Kempf, dem Jüngsten im Team, und Ruedi Philipp war es die erste Teilnahme an einem eidgenössischen Anlass.
Paul Gwerder