Ende November 2008 wurde die Oberwalliser Regionalequipe «Rhoneköche» als neue Kochnationalmannschaft nominiert. Während knapp zwei Jahren haben Teamchef Kilian Michlig (Jahrgang 1978), Captain Friedrich Zemanek (1960), Patissier Norbert Schwery (1965), Fabian Margelisch (1972), Andreas Williner (1982) und Patissier Mario Inderschmitten (1986) die Schweizer Gastronomie an Kochkunstausstellungen rund um den Globus vertreten. Knapp 40 Nationalteams werden sich an den Weltmeisterschaften vom 20. bis 28. November in Luxemburg messen und eine Topplatzierung anstreben. «Ein Platz unter den ersten fünf ist unser grosses Ziel», verrät Teamchef Kilian Michlig, «denn seit Jahrzehnten erreichte die Schweizer Nationalmannschaft nie eine schlechtere Platzierung.» Das Motto der sechs Walliser Kochkünstler ist klar: «Dranbleiben und wenn möglich überholen!»
Zeitbudget von sechs StundenAm Mittwochabend, 13. Oktober, wurde auf dem Gotthard-Hospiz Gelegenheit geboten, sich von den Spitzenköchen kulinarisch verwöhnen zu lassen. Durch persönliche Beziehungen zu Teamchef Kilian Michlig ist es Peter Steinmann gelungen, das Nationalteam in «seine Küche» zu holen. «Das ist in jeder Beziehung eine interessante und willkommene Gelegenheit», bekräftigte Peter Steinmann. Für die Nationalmannschaft war es die letzte Hauptprobe vor der Teilnahme an den Weltmeisterschaften, für die Feinschmeckerinnen und Feinschmecker eine einmalige Gelegenheit, die Spitzenköche kennenzulernen und sich von ihnen verwöhnen zu lassen und für Peter Steinmann ein «lehrreicher und guter Abend».
Dem Reglement des Weltkochverbandes entsprechend haben die sechs Walliser ihr Dreigängemenü zusammengestellt: eine warme Vorspeise mit Fisch und Krustentieren, ein Hauptgang mit einer Stärkebeilage und zwei verschiedenen Gemüsen sowie eine freie Dessertkreation. Genau sechs Stunden Zeit ist den Künstlern ihres Metiers gegeben, um sämtliche Speisen vom Rohzustand bis zur Präsentation auf 105 Tellern herzurichten. Während zwei Stunden müssen die einzelnen Gänge jederzeit abrufbereit sein und durch ihre gleichbleibende Qualität und Präsentation überzeugen. Das sind die Rahmenbedingungen, die es an Weltmeisterschaften in der Königsdisziplin «warme Küche» einzuhalten gilt. Daneben werden die Teams vielfältige kalte Speisen - Vorspeisen, Fingerfood, vegetarische Platten, Desserts, Pralinen et cetera - für einen Showblock zubereiten und gestalten. Schon heute wissen die sechs Walliser: «In Luxemburg will die Jury Handwerk sehen.»
Vom Handwerk zum Kunsthandwerk105-mal das genau gleiche Kunstwerk: Der «warme Karotten-Orangen-Smoothie mit Randenschaum» auf dem Vorspeiseteller erinnert an ein farbiges Clownhütchen. Das gelochte Randenblättchen unter dem Glas an eine Halskrause. Die perfekt abgestimmte Mischung von Orangensaft und Karotten ergab einen erfrischenden Gaumengenuss. Wie Butter zerflossen die «Teigtäschchen mit zarten Muscheln» auf der Zunge. Daneben zierten ein Türmchen «Lachs und Kartoffeln, sanft gegart, mit Erbsenpüree und gekräuterter Buttersauce» sowie eine «Affäre von Hummer und Seezunge im Mandelmantel mit Hummersauce» den Teller.
Nach dem Genuss der Vorspeisen meinte Metzgermeister Ferdi Muheim: «Für mich als Liebhaber von Fisch war der Hummer einfach Spitze.» Auch ein in Zürich wohnhaftes Ehepaar aus Deutschland, das sich ganz spontan für eine Übernachtung im Albergo San Gottardo Ospizio entschied, liess sich die einmalige Gelegenheit, von der Nationalmannschaft bekocht zu werden, nicht entgehen. «Die Teigtäschchen mit den Muscheln waren fantastisch», schwärmte der Feinschmecker immer wieder.
Saisonal und typisch für die SchweizNach der Vorspeise mit Fisch will das Nationalteam der Jury in Luxemburg einen Hauptgang mit Fleisch vorsetzen. Wild und Kürbis prägen die Komposition, ganz der Saison entsprechend: Neben dem rosa gebratenen Hirschrückenfilet in Basler-Läckerli-Pfannkuchen bildet das geschmorte Rehragout eine interessante Ergänzung. Einfach köstlich schmeckt der gedünstete Wirsing, verziert mit dem Wild-Pilz-Würstchen. Und die gewünschte Farbe auf den Hauptgangteller bringen die «Semmelschnitte mit Kürbis» sowie die «Glasierten Spalten von Walliser Äpfeln».
Typisch für die Schweiz und fürs Wallis präsentiert sich das Dessert: ein bisschen Schokolade, Variationen mit Aprikosen und eine Kostprobe von Müesli. Die «Aprikosenluft» auf dem «modischen Aprikosenwürfel» erinnert ans Matterhorn.
Ohne Hektik und fast ohne Worte Auf höchstem Niveau Kochkunst zu zelebrieren, ist vergleichbar mit Spitzensport. Die Vorbereitungen (Trainingsläufe), das Programm, die Teamzusammenstellung, die Produktionsabläufe, die Präsentation und die Produktwahl müssen perfekt aufeinander abgestimmt sein. Immer am Donnerstag treffen sich die Teammitglieder zum gemeinsamen Training. Dabei werden Rezepte überarbeitet, die Geschmacksnoten einzelner Gerichte überprüft, die Koordination der Abläufe besprochen. Aber auch Mentaltraining oder regelmässige Weiterbildungen gehören dazu. «Für das Mandat als Nationalmannschaft wendet das Team zwischen 700 und 750 Stunden pro Jahr auf», gibt Kilian Michlig zu bedenken.
Ein Besuch in der Küche während den Vorbereitungsarbeiten hat es bestätigt: Die sechs Männer sind ein eingespieltes Team. Die Arbeiten sind klar zugeteilt, es wird kaum gesprochen. Kein Scheppern von Pfannen oder Kellen, kein Zuschlagen von Schubladen oder Kästen. Andreas Williner schneidet den Lachs für eine Vorspeise, während Friedrich Zemanek das Rehragout wendet und dann mit der Zubereitung der Wild-Pilz-Würstchen beginnt. Im Raum neben der Hauptküche sind Mario Inderschmitten und Norbert Schwery mit der Feinstarbeit für den Dessertteller beschäftigt. Es ist 17.30 Uhr: Kilian Michlig richtet sich auf und erinnert: «Noch 1½ Stunden, alles okay?» Es bleibt still - mit den Vorbereitungen scheinen alle auf Kurs zu sein.
Bereits heute steht fest, in diesem Jahr wird kein neues Nationalteam nominiert. An der Olympiade 2012 in Erfurt sollen die «Rhoneköche» die Schweizer Kochkunst repräsentieren. Ein weiterer Höhepunkt ist somit in Sichtweite - und Peter Steinmann verspricht: «Auch im kommenden Jahr werde ich zusammen mit diesen Spitzenköchen auf dem Gotthard-Hospiz zum Schlemmen einladen.»
Luzia Schuler-Arnold