Steinadler im Kanton Uri

Steinadler sind ziemlich unzimperlich, wenn es darum geht, ihr Revier zu verteidigen. Sie versuchen den Störenfried einzuschüchtern oder mit einem Direktangriff zu verjagen. Ein solcher Luftkampf mit Kralleneinsatz dürfte sich Anfang September in Wassen zugetragen haben. Für beide ...
10.12.2005
en Tiere endete die Auseinandersetzung tödlich.

Adler sind territoriale Tiere, wenn sie in Paaren zusammenleben. Unter benachbarten Paaren kommt es meist zu keinen Auseinandersetzungen, weil alle die Grenzen respektieren. Notfalls verteidigen sie aber ihre Reviere auch mit Gewalt gegen eindringende Artgenossen. Sie versuchen, den Störenfried mit dem Girlandenflug (bogenförmiges Hochfliegen und Runterstürzen) einzuschüchtern oder mit einem Direktangriff zu verjagen. Kämpfe, die auch tödlichen Ausgang nehmen können, werden besonders im Herbst und Frühjahr, zur Zeit der Revierabgrenzung, ausgetragen.

Ein solcher Luftkampf mit Kralleneinsatz dürfte sich Anfang September in der Gemeinde Wassen ereignet haben. Ein Einheimischer meldete dem ortsansässigen Wildhüter Alois Herger, dass in der Wannisflue zwei tote Vogelkörper liegen.

Tödlicher Konflikt

Der Konflikt könnte sich wie folgt abgespielt haben: Der Eindringling, ein jüngerer Einzeladler, wurde vermutlich im Sturzflug zunächst attackiert. Als der Verfolger wiederholt zustiess, drehte er sich schliesslich um und parierte mit ausgestreckten Fängen den Angriff. Ineinander verkrallt, trudelten die beiden Kontrahenten einige Sekunden durch die Luft. Bevor sie sich knapp über dem Boden wieder hätten loslassen können, touchierten sie eine Starkstromleitung. Beide bezahlten dies mit dem Leben.

An diesem innerartlichen Kampf besonders bemerkenswert ist die Tatsache, dass es sich bei beiden Adlern um noch nicht ausgewachsene Jungtiere handelte. Die fast schwarz wirkenden Jungvögel sind am weissen Schwanz mit breiter schwarzer Endbinde und weissen Fenstern unterschiedlicher Grösse im Flügel von Altvögeln zu unterscheiden.

Der Jüngere der beiden war kaum mehr als ein Jahr alt, der Ältere etwa im zweiten oder vielleicht dritten Lebensjahr. Die Geschlechtsreife tritt bei Männchen wie Weibchen erst bei beendeter Umfärbung mit dem fünften Lebensjahr ein. Revierlose Jungadler greifen sich untereinander kaum an. Was könnte also in Wassen passiert sein?

Der Steinadler kann mitunter schon im zweiten Lebensjahr zur Paarbildung schreiten. Doch sind solche Verbindungen meist nur lose und für kurze Zeit (erste Nisttätigkeit ab dem dritten Lebensjahr). Der ältere Jungadler war also möglicherweise bereits schon ein Reviervogel. So wurde er auf einmal zum Kämpfen gezwungen. Die aggressive Auseinandersetzung im Luftkampf mit dem Fremdling hat schliesslich auch für ihn tödlich geendet.

Mit einem Adler in den Armen

Es gibt wohl nur wenige Personen, die das Glück haben, einem lebenden Adler in der freien Natur in die Augen zu schauen - und ihn erst noch bis zu dessen Tod in den Armen zu halten. Ein solch aussergewöhnliches Erlebnis hatte Walter Baumann, Gemeindeschreiber von Göschenen, vor zwei Jahren. Ebenfalls Anfang September begegnete er unweit seines Wohnsitzes einem lebensgefährlich verwundeten Jungadler. Ohne lange zu zögern, hob er ihn auf, um ihn nach Hause zu tragen und weitere Abklärungen zu treffen, wie dem verletzten Adler geholfen werden könnte.

Dabei war Walter Baumann gar nicht so recht bewusst, welch furchtbare Waffen der Vogel hätte anwenden können: zum einen die starken Greiffüsse mit den langen und scharfen Krallen und zum andern den mächtig gekrümmten Schnabel mit langer und gefährlicher Hackenspitze. Als ob der Adler die wohlwollende Absicht seines Retters einzuschätzen vermochte, verhielt er sich in dessen Armen absolut ruhig.

Die blitzenden, wachsamen und orangegelben Augen des Adlers waren nun besonders gut zu sehen. Stolz und Wildheit blitzten aus den Pupillen. Nur wenige Schritte vom Wohnhaus des Retters entfernt, starb das Tier. Seither bleibt der Steinadler von Göschenen als Stopfpräparat erhalten und ist gelegentlich auch an Trophäenausstellungen zu sehen.

Franz Bissig


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