1804 wurde Friedrich Schillers Wilhelm Tell in Weimar uraufgeführt. Dies war mit ein Grund für die Tellspielgesellschaft Altdorf, ihre nächste Inszenierung auf das Jahr 2004 festzusetzen, zumal ein Jahr zuvor mit Bernhard Bräggers Inszenierung «Das Teufelsspiel» in der Schöllenen bereits ein grosses Theaterprojekt auf dem Programm steht.
Auf der Suche nach einem neuen Regisseur fand die Tellspielgesellschaft in der Person von Louis Naef die Wunschbesetzung. Es wurden Verträge abgeschlossen, und die Vorbereitungen liefen volltourig an. Doch am 8. Februar dieses Jahren erfuhr die Tellspielgesellschaft, dass der Berner Theatermacher Lukas Leuenberger eine Freiluftaufführung Wilhelm Tells plane mit den Profis des deutschen Nationaltheaters Weimar, und zwar auf dem malerischen «Originalschauplatz», auf der Rütliwiese.
Rütlikommission sagt grundsätzlich ja
Erste Gespräche zwischen den Verantwortlichen beider Projekte endeten im Streit. Die Rütlikommission der Schweizerischen Gemeinnützigen Gesellschaft sollte Klarheit schaffen, indem sie sich für oder gegen eine Bewilligung eines Theaterprojekts auf der Rütliwiese aussprechen sollte. Die Tellspielgesellschaft fürchtet, dass mit einer spektakulären Freilichtinszenierung auf dem Rütli sowohl Publikum als auch Sponsoren dem Altdorfer Projekt den Rücken kehren. Am 26. Juni entschied die Kommission, dass sie grundsätzlich bereit sei, Lukas Leuenbergers Projekt weiterzuverfolgen. Das Gesamtprojekt sei kulturell bemerkenswert. Die Gesuchsteller wurden aber aufgefordert, bis Ende Oktober detaillierte Konzepte zu Logistik, Finanzierung, Sicherheiten und zu einer Zusammenarbeit mit den Altdorfer Tellspielen zu dokumentieren.
Ein Kontaktgremium soll geschaffen werden
Im «Urner Wochenblatt» vom 29. Juni bedauerte Leo Brücker, Vizepräsident der Tellspielgesellschaft, den Entscheid der Rütlikommission. Die Situation sei damit noch schwieriger geworden und die Vorbereitungsarbeiten könnten nun nicht geordnet fortgeführt werden. Bei diesen geänderten Rahmenbedinugungen sei es praktisch unmöglich, bis im Oktober das Projekt -wie geplant - abzusichern. Am Montag Abend, 1. Juli, kam es zu einem Treffen von Vertretern der Tellspielgesellschaft, dem Gemeinderat Altdorf, dem Kulturbeauftragten des Kantons Uri Josef Schuler und dem Präsidenten von Tourist Info Uri, Hansruedi Stadler. Anton Waser, Präsident der Tellspielgesellschaft, erklärte dem «Urner Wochenblatt», dass man beschloss, ein Kontaktgremium zu schaffen. Dieses soll für alle Beteiligten einen gangbaren Weg eruieren. Geleitet werden müsse dieses Gremium von einer aussenstehenden Person.
Positive Aspekte des Entscheides der Rütlikommission
In der Wertung des Beschlusses der Rütlikommission sind sich der Gemeinderat Altdorf und die Tellspielgesellschaft in einigen Punkten nicht einig. Gemeindepräsident Markus Züst erkennt in der Idee eines Tell-Sommers 2004 auch positive Aspekte, «aber nur, wenn die Altdorfer Tellspiele dadurch nicht gefährdet sind!», betont er. «Die Tellspiele sind für Altdorf und für die Region nämlich ein wichtiges Kulturprojekt und ein Imageträger. Der Gemeinderat unterstützt das Projekt deshalb sowohl finanziell als auch ideell massgebend.» Doch in einer Zusammenarbeit mit dem Projekt Leuenberger sieht Markus Züst auch Chancen für Altdorf und den Kanton Uri. «Dadurch könnten wertvolle kulturelle und touristische Partnerschaften entstehen, die sich für unsere Region nachhaltig positiv auswirken könnten», so Markus Züst.
Termin gegeben!
Ein Konsens zu finden dürfte für die Tellspielgesellschaft schwierig werden. Diese ist vertraglich an den vorgesehenen Termin gebunden. Anton Waser: «Gegen das Projekt Leuenberger haben wir grundsätzlich keinen Einwand. Es darf einfach nicht zu diesem Zeitpunkt über die Bühne gehen. Wir selber verfügen terminlich über keinen Handlungsspielraum.» Aber auch für die Produktion Leuenberger ist der Zeitpunkt 2004 gegeben. Zwar würde sich ein Jahr später Friedrich Schillers Todestag zum 200. Mal jähren - ebenfalls ein idealer Zeitpunkt für ein solches Projekt. Doch dann möchte die Weimarer Bühne den Tell zu Hause aufführen.
Markus Arnold