Urner Kulturvermittler macht Fernsehen

Kultur wird im Fernsehen oft stiefmütterlich behandelt. Zu Unrecht, finden der Urner Kulturvermittler Felix Schenker und der Medienprofi Roy Oppenheim.
25.04.2008
Ein unscheinbares Haus an der Dienerstrasse im Kreis 4 in Zürich - hier ist das Online-Kulturfernsehen art-tv.ch zu Hause sowie dessen Gründer, Geschäftsleiter und bis vor Kurzem Präsident des Vereins art-tv.ch, der gebürtige Urner Felix Schenker. Vor vier Jahren hatte er das Internet-Fernsehen lanciert. Derzeit produzieren rund ein Dutzend Personen professio­nelle Beiträge über Kulturanlässe von überregionalem Interesse in der Deutschschweiz. Bis heute sind weit über 1000 Kultur-Kurzreportagen ent­standen. Auch über Veranstaltungen im Kanton Uri: beispielsweise über die «Alpentöne», das Haus für Kunst oder die Operette «Die schöne Galathée», welche derzeit in Altdorf läuft.

Medienspezialist an der Spitze des Kultursenders

Seit vergangenem Montag, 21. April, sitzt ein bekannter Medienprofi neu im Boot von art-tv.ch: Roy Oppenheim, langjähriger Leiter des Ressorts Kultur beim Schweizer Fernsehen, früherer Direktor von Schweizer Radio International, Leiter Öffentlichkeitsarbeit bei der Suisa, Präsident des «Forum Helveticum», um nur einige Stationen seiner beruflichen Karriere zu nennen. Er löst Felix Schenker, der sich künftig auf seine Funktio­nen als Geschäftsleiter und Chefredaktor konzentrieren will, als Präsident von art-tv.ch ab.

Ein «Riesenchrampf»

Die Idee, ein Internet-Kulturfernsehen zu gründen, kam Felix Schenker während seiner Zeit als Kunstgalerist in Luzern. Zehn Jahre führte er die Galerie Schenker. Print- und Kunstmedien berichteten jeweils ausführlich über seine Ausstellungen. Doch lediglich zweimal habe das Fernsehen einen Beitrag gebracht. «Audiovisuelle Medien für Kunst- und Kulturbeiträge zu gewinnen, war immer ein Riesenchrampf», erinnert er sich. An dieser unbefriedigenden Situation etwas zu ändern, das war seine Motivation für das Projekt «art-tv.ch».
Dank dem Internet taten sich neue Möglichkeiten auf. Videos ins World Wide Web zu stellen, wurde immer einfacher. Ein eigentliches Kulturvermittler-Netzwerk aufzubauen, das stand für Felix Schenker deshalb im Vordergrund. Art-tv.ch sieht sich daher in ers­ter Linie als Kulturprojekt und nicht als Medienunternehmen. Es soll in der Schweiz die regionale und überregionale «Grundversorgung» mit Kulturreportagen im Video-Kurzformat gewährleisten, lautete und lautet nach wie vor das Ziel.

Kultur ist in

«Das Problem der audiovisuellen Kulturberichterstattung ist bis heute nicht gelöst», hält Roy Oppenheim fest. Die lokalen Fernsehstationen hätten nur punktuell die Möglichkeit für Kul­turberichterstattun­gen. «Auch das Schweizer Fernsehen tut sich schwer, regelmässig gute Kulturinformationen zu guten Sendezeiten zu produzieren», führt der Medienspezialist aus. Das sei ein grosses Manko, denn die Bedeutung der Kultur in der Schweiz sei in den vergangenen Jahren massiv gestiegen. «Statistiken besagen, dass sich 39 Prozent der Schweizer Bevölkerung aktiv für Kultur interessiert. Über 1 Million Schweizerinnen und Schweizer spielen ein Musikinstrument. In der Schweiz werden bei privaten Kulturaktivitäten jährlich 17 Milliarden Franken umgesetzt. Gegen 100 000 Personen arbeiten professionell in Kunst und Kultur», zählt Roy Oppenheim auf. Und in der «Frankfurter Allgemeinen Zeitung» habe man kürzlich lesen können, dass in England, im Mutterland des Fussballs, heute mehr Menschen in Museen und zu Kulturveran­staltun­gen ge­hen als in Fussballstadien. «Die tra­ditionellen Kulturberichte vermögen das Kulturangebot der modernen Kulturszene nicht mehr überzeugend zu reflektieren», lautet seine These. Hier sei grosses Potenzial für ein Nischenprodukt wie art-tv.ch vorhanden.

Mediengeschichte wird geschrieben

Mit grossem Interesse habe er in den vergangenen Jahren die Entwicklung des Internet-Kultursenders art-tv.ch mitverfolgt, sagt Roy Oppenheim. «Die Qualität der einzelnen Beiträge ist ausgezeichnet und findet auch die Anerkennung von Fachleuten.» In Kulturkreisen sei art-tv.ch zu einer bekannten und unverzichtbaren Grösse geworden. Roy Oppenheim ist auch fasziniert, dass mit einem Low Budget, ja fast «No Budget» so professionelle Arbeit geleistet werde. Die Medienwelt schaue interessiert auf diese Entwicklungen. «Wir befinden uns in einem hochspannenden Moment in der Geschichte der Medienentwicklung», ist Roy Oppenheim überzeugt. «Wir leben in einer audiovisuellen Welt, doch in der Kulturberichterstattung ist davon noch nicht viel zu merken.»

Für die Zukunft rüsten

Für art-tv.ch sei Roy Oppenheim ein Glücksfall, hält Felix Schenker fest. Sein Engagement belege, dass die Medienszene die Bemühungen von art-tv.ch ernst nehme und interessiert verfolge. Mit Roy Oppenheim an der Vereinsspitze möchte art-tv.ch nun seine Bemühungen, gesamtschweizerisch Fuss zu fassen, intensivieren. «Art-tv.ch soll auch in Zukunft die führende, wichtigste und bekannteste Plattform in der Schweiz sein für Kulturberichterstattung mit bewegten Bildern», betont Felix Schenker. Doch die Strukturen müssten auch in Zukunft einfach, bescheiden und flexibel bleiben.
Nach den Pionier- und Aufbaujahren von 2004 bis 2008, die geprägt waren durch Investitionen, freiwilliger Arbeit und Idealismus, sei es nun in den nächsten zwei bis drei Jahren das Ziel, eine vernünftige Selbstfinanzierung zu erreichen, erklärt Roy Oppenheim. Dazu brauche es ein Finanzierungskonzept, das die verschiedenen Finanzquellen - Bund, Kantone, Städte, Kulturinstitutionen, Stiftungen, Sponsoren, Mitglieder, Gönner ... - optimal nutze. Bereits heute gibt es Leistungsvereinbarungen mit Kantonen wie Basel-Landschaft, Aargau, Thurgau, Appenzell Ausserrhoden oder der Stadt Zürich.

Grosse Nachfrage

Art-tv.ch hat Zukunft, davon sind alle Beteiligten überzeugt. In den elektronischen Medien brauche es mindes­tens vier bis sechs Jahre, bis man im Markt sein Publikum finde, weiss Roy Oppenheim. Nach vier Jahren art-tv.ch ist man also bereit, durchzustarten. Ein Blick auf die Internet-Statistik belegt dies: Zu Anfangszeiten des Internet-Kultursenders wurden 700 Zugriffe pro Monat verzeichnet. Im März 2008 waren es 3 Millionen.

Markus Arnold


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