Eine Onlinezeitung, eine Interessengemeinschaft, eine Non-Profit-Organisation. Die «Bergstimme» hat viele Bezeichnungen. In erster Linie ist sie aber eine Gruppe von Idealisten, die ein gemeinsames Interesse verfolgt: Den Ausbau des Skigebiets in Ursern und zwar mithilfe der schwedischen Firma Skistar. «Angefangen hat alles mit einem Leserbrief», erzählt Astrid Nager. Zusammen mit Erich Nager hat sie im vergangenen November einen Forumsbeitrag verfasst. Darin sprachen sich die Andermatter für die Skigebietserweiterung aus und stellten der Andermatt Gotthard Sportbahnen AG (AGS) kritische Fragen. Auf diesen Beitrag, wie sie erklärt, folgte ein Zeitungsbericht, in dem der Verwaltungsrat der AGS zitiert wurde. «Unsere Aussagen wurden komplett anders dargestellt. Das hat uns entsetzt», sagt Astrid Nager. Entrüstet war sie wenige Wochen später auch über den Ablauf der GV der AGS. «Eine sehr unbefriedigende Versammlung für Kleinaktionäre wie mich», sagt sie. Diese Ansicht teilten offenbar auch andere Aktionäre. «Wir wurden nicht angehört. Zudem wurde die Versammlung nicht ordnungsgemäss abgehalten. Das hat frustriert. Aus diesem Grund wollten wir auf eine andere Art an die Öffentlichkeit treten», sagt der Andermatter Gastronom Kevin Obschlager. Daraus ist Ende Jahr die «Bergstimme» entstanden.
17`000 Klicks seit DezemberDer Grundgedanke der «Bergstimme» liegt im Verbreiten von Fakten und Meinungen - und zwar via Internet. «Wir wollen der Region Ursern eine Stimme geben», sagt Kevin Obschlager. Seit Mitte Dezember ist die Homepage online. Um auf ihre Idee aufmerksam zu machen, haben die Initianten Mitte Dezember ein Flugblatt in die Andermatter Haushaltungen verschickt. Die Initianten, Kevin Obschlager, Sarah Keller, Astrid Nager, Rasti Tkac und Erich Nager, verfassen seither regelmässig Artikel, stellen Videos online und veröffentlichen Forumsbeiträge. «Bis heute zählen wir 17`000 Klicks. Das ist viel mehr, als wir je erwartet hätten», freut sich Kevin Obschlager. Ziel der «Bergstimme» ist es, das Urserntal weiterzubringen. «Unser Tal hat so viel Potenzial, das bisher ungenutzt blieb. Jetzt ist der Zeitpunkt gekommen, etwas zu unternehmen», betont Sarah Keller.
Unterstützung und DrohungenUnterstützung erhält die «Bergstimme» von verschiedenen Seiten: Beispielsweise die Gemeinde Andermatt, die Bergbahnen Sedrun, die Gemeinde Sedrun, die Andermatt Swiss Alps AG, die Andermatt Ursern Tourismus GmbH oder die Gemeinde Göschenen sind auf der Internetseite als Supporter aufgeführt. Insgesamt über 60 Personen, Organisationen und Vereine stellen sich mit ihrem Namen hinter die «Bergstimme». «Auch die Feedbacks aus der Bevölkerung sind positiv», sagt Astrid Nager. Immer wieder werden aber auch kritische Stimmen laut. «Man hat mir gesagt, diese Kampagne schade meinem Gastrobetrieb. Uns wurde sogar schon gedroht», erzählt Kevin Obschlager. Angst um sein Hotel und Restaurant hat er deshalb aber nicht. «Ich habe ja nichts zu verlieren. Erst, wenn die Skigebietserweiterung nicht kommt, muss ich mir grössere Sorgen um meinen Betrieb machen», betont er.
Zwar richtet sich die «Bergstimme» nach dem Grundsatz, keine Menschen persönlich anzugreifen. Dennoch eckt die Gruppe mit ihren Artikeln und Meinungen bei einigen Urschnern an. «Das ist auch gut so. Wir dürfen ja unsere klare Haltung verbreiten», sagt Kevin Obschlager. Im Grossen und Ganzen finde die Idee insbesondere bei Aussenstehenden und Feriengästen Anerkennung, wie er erklärt. Und Astrid Nager fügt hinzu: «Jetzt müssen wir es nur noch schaffen, die Urschnerinnen und Urschner aufzurütteln.» Es sei wichtig, dass sich auch die Einheimischen auf der Internetplattform äussern, sagt sie. Ein weiteres Anliegen der «Bergstimme» ist es, der Bevölkerung die Angst vor dem Ungewissen zu nehmen. «Es wird viel Negatives rund um das Tourismusresort und die geplante Skigebietserweiterung geschrieben. Das macht Angst. Wir versuchen, mithilfe von Aufklärung, diese Angst zu nehmen», meint die Andermatterin. Gerade die Ungewissheit ist es aber, die auch an den Initianten der «Bergstimme» nagt, wie Kevin Obschlager erklärt. «Heute ist das Projekt Skigebietserweiterung kaum weiter als noch vor einem Jahr. Das ist sehr ermüdend.» Astrid Nager spricht von einer Berg- und Talfahrt. «Ganz ehrlich, ich wäre nicht überrascht, wenn die Schweden morgen das Projekt abblasen würden», sagt sie.
Ideen gehen nicht ausDennoch: Ans Aufhören denkt die «Bergstimme» noch lange nicht. Nun wollen die Urschner Idealisten noch mehr Leute erreichen. Die Internetseite ist längst nicht mehr bloss ein Forum, das sich für den Ausbau des Skigebiets einsetzt. Die «Bergstimme» dient als Plattform, als Eventkalender und Informationsportal, das über Ereignisse im und rund um das Urserntal berichtet. Im Weiteren ist geplant, dass die Onlinezeitung künftig auch in Papierform die Haushaltungen des Urserntals erreicht. «Wir wollen Informationen von Realp bis Disentis verbreiten», sagt Kevin Obschlager. Bereits jetzt nimmt die «Bergstimme» Dimensionen an, mit denen die Initianten nie gerechnet hätten. «Wir sind da in etwas hineingeraten, das wir so nicht geplant hatten», sagt Astrid Nager und fügt hinzu: «Die Bergstimme bedeutet zwar viel Arbeit, doch es ist gut, dass wir weitermachen. Denn wir tun es, weil wir es für richtig halten.»
Weitere Informationen: www.bergstimme.chMartina Regli