Wenn eine Kirchenorgel zum Glaubenskrieg führt

«Es ist nicht alles eine Orgel, was sich so landläufig Orgel nennt», erklärt Kurt Müller. Er hat die Orgeln der Pfarrkirche Schattdorf aufgespürt und Freud und Leid in eine Broschüre gepackt.
09.05.2008
Als er noch Leiter des Kirchenchores beziehungsweise des Cäcilienvereins Schattdorf war, plante er, die Geschichte der verschiedenen Orgelbauten in der Pfarrkirche Schattdorf zu erforschen. Damals fehlte ihm die Zeit. Nach dem Rücktritt als Chorleiter begann er am 30. Juni 2004 mit der Nachforschung - als sein persönliches Projekt.
Kurt Müller suchte im Pfarrarchiv Schattdorf nach Akten und studierte die Protokolle des Kirchenrates. Aus der Zeit der ersten Orgel von Josef Bossart um 1698 fand er wenig. Wahrscheinlich habe der wachsende Pilgerstrom zum «Maria-Gnadenort» in Schattdorf den Bau der ersten Orgel veranlasst. Denn: «Es gehörte damals zum guten Ton», schreibt Kurt Müller, «in einer so schönen und bedeutungsvollen Wallfahrtskirche eine Orgel einzurichten.» Ein Glücksfall war, dass Kurt Müller zur ersten Orgel im Archiv der Orgelbauerfamilie Bossart in Zug ein Attest der Kirchgenossen von Schattdorf fand. Die Akten über die späteren Orgeln von Johann Josef Jauch aus Altdorf (1862), von Friedrich Goll aus Luzern (1909 und 1915) sowie über die «fatale Anschaffung» des Ahlborn-Elektroniums (1956), wie es Kurt Müller bezeichnet, sind im Pfarrarchiv vorhanden.

Sparsamkeit über alles

«Die Sparsamkeit beeinflusste die Orgelprojekte von 1862 und 1915 negativ», bemerkt Kurt Müller. «Immer musste Pfeifenmaterial der alten Orgel in das neue Werk übernommen werden. Die Orgelgeschichte zeigt deutlich, dass sich diese Massnahmen nicht lohnten.» Nur bei der ersten Orgel von Josef Bossart anno 1698 und bei der Orgel der Cäcilia Orgelbau AG von 1965 seien ausschliesslich neue Materialien verwendet worden.

Disput in der ganzen Schweiz

Der schlimmste Entscheid aus Spargründen fiel um 1956. «Ein Elektronium kostete viermal weniger als ein traditionelles Pfeifenorgelwerk. Zwischen Befürwortern und Gegnern eines Elektroniums entstand ein Glaubenskrieg», schreibt Kurt Müller. Der Disput sei in der ganzen Schweiz ausgetragen worden. Der Luzerner Kirchenmusikverlag Cron propagierte und vertrieb solche elektronischen Orgeln. Der Allgemeine Cäcilienverband der Schweiz und die Arbeitsgemeinschaft für die Schweizerische Orgel-Denkmalpflege stellten sich dagegen. In Fachzeitschriften sei darüber berichtet und gestritten worden. Der Urner Benediktinerpater Martin Zieri habe sie gelobt. Ein Churer Ohrenarzt habe gegen dieses Elektro-Instrument Stellung bezogen. Allein der Entscheid der Behörde für ein Ahlborn-Elektronium in der Pfarrkirche Schattdorf war nicht mehr umzustossen. «Im Rückblick gesehen, war das Elektronium ein Verlustgeschäft, und es tat seinen Dienst nur sieben Jahre», stellt Kurt Müller fest. Eine Orgel müsse über einen vortrefflichen Klang und verschiedene technische Hilfsmittel verfügen. Die vergangenen 400 Jahre hätten gezeigt, dass sich Entscheide aus Spargründen auf lange Sicht nicht auszahlen.

Der einmalige Prospekt

Der Orgelprospekt überstand bis heute den Glaubenskrieg und die verschiedenen Orgelbauten. «Nicht umsonst gilt er als bedeutendes Kunstwerk und wird von Besucherinnen und Besuchern der Kirche bewundert», betont Kurt Müller im Gespräch mit dem «Urner Wochenblatt». Wunderbare Ornamente zieren sowohl das grosse mittlere Pfeifenfeld als auch die kleineren Felder. Sie ranken sich hinauf zum König David im fürstlichen Gewand mit Krone und Harfe.
Kurt Müller beschreibt in seiner Broschüre die einzelnen Orgelbauten, berichtet über die verschiedenen Orgelbauer und erklärt Dispositionen der Orgeln in der Pfarrkirche Schattdorf, illustriert mit verschiedenen Bildern. Er nennt die Organistinnen und Organisten sowie die Chorleiter in der Pfarrkirche Schattdorf von 1699 bis heute.

Vernissage am Pfingstsonntag

Auf morgen Sonntag, 11. Mai, lädt der Kirchenrat Schattdorf zur Vernissage der Broschüre «Die Orgeln der Pfarrkirche Schattdorf von 1698 bis 2007» ein. Sie findet im Pfrundhaus bei der Pfarrkirche Schattdor statt. Autor Kurt Müller erzählt aus der Orgelgeschichte. Pfarrer Bruno Werder wird das Schlusswort halten.

Erich Herger


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